Küssen auf eigene Gefahr
umzubringen? Sieh mich nur an!« Sie breitete die Arme aus, damit ihre Schwester die Kratzer und Insektenstiche betrachten konnten, mit denen sie von Kopf bis Fuß übersät war.
»Du siehst toll aus!«
»Toll? Ich bin mitsamt einem Auto in einen Abgrund gestürzt, ich musste stundenlang durch die Wildnis marschieren und sogar im Freien übernachten, ich hatte eine unangenehme Begegnung mit einer Spinne, und du sagst, dass ich toll aussehe? Schau mich noch mal genau an, Kaylee, ich sehe einfach furchtbar aus!«
»Oh, mein Gott, eine Spinne? Oh, Catherine, es tut mir so Leid.«
»Das sollte es auch - ich bin fast gestorben vor Angst. Wenn Sam -«
»Aber diese winzig kleinen Kratzer sind kaum zu sehen, und, Schwesterchen, es steht dir ausgesprochen gut, wenn du zur Abwechslung mal ein paar schicke Klamotten trägst. Da wir gerade davon reden, wo ist eigentlich mein Koffer? Das Wetter in den vergangenen Tagen war eine einzige Katastrophe für meinen Teint, und du hast meinen Kosmetikkoffer mitgenommen.«
»Tja, wie soll ich es dir sagen, Kaylee? Deine wertvollen Fläschchen und Tiegelchen befinden sich im Kofferraum des Wagens, den Jimmy Chains von der Straße in den Abgrund gedrängt hat.«
Sie sah ihre Schwester blass werden, als ihr bewusst wurde, in welcher Situation sich Catherine tatsächlich befunden hatte. Bobby, der die Unterhaltung zwischen den beiden Frauen verfolgt hatte wie ein Zuschauer bei einem Tennismatch, packte Kaylee am Ellbogen und führte sie ins Zimmer, um die Tür hinter ihnen zu schließen.
»Sie kommt manchmal ein bisschen vom Thema ab«, erklärte er Catherine. »Aber sie hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Sie zu finden.«
»Er hat dich über einen Abgrund gedrängt?«, jammerte Kaylee. »Und was sonst noch alles?«
»Er hat ein paarmal mit einer Pistole auf mich gezielt. Und er hat versucht, mich zu überfahren. Jedenfalls glaube ich, dass er es war. Aber jetzt setzt euch doch erst mal«, forderte sie ihre Schwester auf. »Dann können wir in Ruhe reden. Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, Kaylee. Es bedeutet mir sehr viel, dass du mich gesucht hast.«
Sie führte sie ins Zimmer. Bobby ließ sich in einen der Sessel fallen, Kaylee dagegen blieb stehen und sah Catherine erschüttert an.
Als sie dann sprach, ließen ihre Worte jedoch Bewunderung erkennen. »Wie du es geschafft hast, diesem Kopfgeldjäger immer wieder einen Stein in den Weg zu legen, das war einfach genial, Cat. Ich wusste gar nicht, dass du das Zeug dazu hast, sämtliche Anstandsregeln über Bord zu werfen.«
»Ich vermute, dass ich mehr mit dir gemeinsam habe, als wir jemals gedacht hätten, oder?«
Kaylee grinste. »Wahrscheinlich. Und du wirst es mir nicht glauben, aber ich habe auch ein paar von deinen nicht ganz so aufregenden Eigenschaften mitbekommen. Also, wie hast du es geschafft, ihn loszuwerden?«
»Wen?«
»Den Kopfgeldjäger natürlich.« Kaylee sah sie an, und in ihren Augen stand plötzlich blankes Entsetzen. »Oh nein. Cat, du hast ihn doch abgeschüttelt, oder? Bitte, sag mir nicht, dass er noch hier ist.«
Sam hätte es sich denken können, dass fünf Minuten eine äußerst optimistische Zeitangabe waren. Als er, einen Strauß Tulpen in der Hand, aus dem Aufzug trat und sich auf den Weg zu ihrem Zimmer machte, waren fast zwanzig Minuten vergangen. Er klopfte an die Tür, war aber nicht besonders überrascht, als Catherine nicht antwortete.
Sein Gefühl sagte ihm, dass sie die Absicht hatte, ihn eine Weile zappeln zu lassen, bevor sie ihm verzieh.
Wie dem auch war, es brachte ihn auf jeden Fall nicht weiter, wenn er hier draußen auf dem Flur herumstand. Also benutzte er den Schlüssel, den ihm die junge Frau am Empfang gegeben hatte, nachdem er behauptet hatte, er habe sich selbst ausgeschlossen, und öffnete die Tür. »Red?«, rief er leise. »Ich bin's, Sam.«
Er durchquerte den kleinen Vorraum. Da die Vorhänge vor dem großen Fenster zurückgezogen waren, sah er direkt in die Sonne, als er ins Zimmer trat. Er hob die Hand mit dem in Zellophan gewickelten Tulpenstrauß, um seine Augen zu beschirmen, und kniff sie zum Schutz vor dem gleißenden Licht zusammen.
Den dunkelhaarigen Mann, der in einem der Sessel saß, bemerkte er erst, als er schon mitten im Zimmer stand. Und nachdem sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er auch, dass direkt neben Catherine ihre Doppelgängerin stand.
Catherines Zwillingsschwester hielt eine Pistole in der Hand. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher