Kuessen gut, alles gut
geliebt zu werden. War es lange Zeit nicht mehr gewesen.
»Das ist traurig.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich … äh … mochte Pferde lieber als Puppen.« Was sogar stimmte. Sie warf einen Blick zu Beau, der sich mehr für seinen Teller zu interessieren schien als für sie. Gut. »Mein Vater wollte mich zwar nicht kennenlernen, aber immerhin hat er meiner Mutter Unterhalt gezahlt. Aus mir ist trotzdem was geworden. Ich war kein schlechtes Kind.«
Beau sah zu ihr hoch. Seine Miene war teilnahmslos, doch seine grauen Augen fixierten sie, als durchschaute er sie und kannte alle ihre Geheimnisse. Er hatte gesagt, dass er über ihren beruflichen Werdegang Bescheid wüsste. Oder war es ihr Vorstrafenregister gewesen?
»Außer einmal, als ich Ärger bekam, weil ich die Wände der Überführung an der I-25 mit Einhörnern besprüht habe«, plapperte sie, bevor sie sich davon abhalten konnte.
Er zog die Augenbrauen hoch.
»Die waren lustig«, verteidigte sie sich. »Und viel hübscher als Totenschädel und dämliche Gang-Symbole.« Nur schade, dass die Polizei die süßen kleinen Fantasiewesen zwischen den Hardcore-Symbolen überhaupt nicht lustig gefunden hatte. Sie war damals vierzehn und zu zehn Stunden gemeinnütziger Arbeit verdonnert worden. »Auf dem Papier erwecken meine Einträge im Jugendstrafregister den Eindruck, als wäre ich eine Unruhestifterin gewesen, im Vergleich zu anderen Jugendlichen war ich allerdings echt harmlos.« Sie dachte kurz nach, und da sie sich sicher war, dass Beau es sowieso schon wusste, gestand sie: »Na ja, außer als ich bei Kmart einen gepolsterten BH geklaut habe. Das war übel. Echt übel, aber alle anderen Mädchen in der siebten Klasse hatten schon einen Busen und ich nicht. Die Jungs haben mir Sachen wie ›Bügelbrett‹ hinterhergerufen.« Sie sah Naomi an, die dafür bestimmt Verständnis hätte. Diese hielt mit ihrem Glas vor dem Mund inne und machte große Augen. »Ich wollte einfach nur dazugehören, und meine Mom wollte mir für einen gepolsterten BH kein Geld geben. Aber das ist das Schlimmste, was ich je angestellt habe.« Sie richtete den Blick wieder auf Beau. »Stimmt’s?«
Eine seiner Augenbrauen hob sich bis zum Anschlag. »Woher soll ich das wissen?«
Sie hob die Hand und ließ sie auf den Tisch sinken. »Weil Sie ein Spion sind.« Blödmann.
Naomi lachte. »Hast du Stella etwa weisgemacht, dass du bei der CIA bist, Beau?«
»Natürlich nicht.« Der vertraute finstere Ausdruck machte sich wieder auf seinem Gesicht breit. »Das haben wir doch schon geklärt. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich kein Spion bin.«
Das stimmte. Das hatte er gesagt, aber er benahm sich wie einer.
»Er ist ein Marine.« Naomis Augen leuchteten vor Stolz.
Ein Marine. Natürlich war er das. Das passte alles zusammen. Der kräftige Nacken. Der Kurzhaarschnitt. Dass er so eine harte Nuss war. Dass … Moment! Sie hatte gerade einem Marine gegenüber zugegeben, einen gepolsterten BH gestohlen zu haben. Diesmal verhinderte auch der Pinot nicht, dass ihr die Schamesröte den Hals hinaufkroch und ihre Wangen erhitzte. Stella setzte ihr Glas an den Mund und trank es aus.
»Mein anderer Sohn, Blake, ist seinem Vater in die Navy gefolgt, aber als die Jungs noch klein waren, haben sie immer Batman und Robin gespielt«, erzählte Naomi weiter.
Beau wandte den Blick von Stella und richtete seine Aufmerksamkeit auf seine Mutter. »Wir haben uns immer gestritten, wer Batman und wer Robin war.«
»Ja.« Naomi seufzte, als wäre das ihre schönste Zeit gewesen. »Es wurde so schlimm, dass ich dem einen ein Batman-Kostüm und dem anderen ein Superman-Kostüm kaufen musste. Sie waren einfach kleine Schätzchen.«
»Danach stritten wir uns, wer der Härtere war. Batman oder Superman.«
»Das tut ihr zwei immer noch.« Naomi runzelte die Stirn und sah ihrem Sohn auf einmal sehr ähnlich. »Erst letztes Weihnachten habt ihr zwei mir mit eurem Unfug fast den Brunch verdorben.«
»Waren Sie Superman?«, fragte Stella Beau.
»Klar.«
Klar.
»Superman kann fliegen und Gebäude stemmen«, antwortete er, als wäre das völlig einleuchtend. »Batman ist auf technische Hilfsmittel angewiesen.«
»Hatten Sie einen roten Umhang?«
»Ohne Umhang kann man nicht Superman sein.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Strumpfhose?«
Er schüttelte den Kopf. »Das nannte sich Overall.«
Sie konnte sich ihn genauso wenig in einer Strumpfhose vorstellen wie mit Nagellack. »Ist doch
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