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Kuessen gut, alles gut

Kuessen gut, alles gut

Titel: Kuessen gut, alles gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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sprach Stella mit Fremden nicht über ihr Privatleben. Einiges daran war peinlich, aber Beau hatte ihren Namen bestimmt in eine supergeheime Schnüffelsoftware eingegeben, die er mitsamt seiner Blendgranate gekauft hatte, und wusste sowieso schon alles über sie. Das Gute, das Schlechte und das Unangenehme. Wahrscheinlich kannte er ihr Zeugnis aus der dritten Klasse und war sogar über das Guthaben auf ihrer Victoria-Secret-Kundenkarte informiert. Beau würde merken, wenn sie etwas wegließ, beschönigte oder glattweg log. »Streng genommen war ich wohl schon mal auf der Ranch«, sagte sie, als Naomi sich wieder setzte. »Bei meiner Zeugung.« Sie griff lächelnd nach ihrem Glas. »Natürlich war ich damals zu klein, um noch eine Erinnerung daran zu haben. Zum Glück.« Niemand lachte über ihren kleinen Scherz, obwohl sie ihn urkomisch fand. Sie nippte an ihrem Wein und sah dabei über den Glasrand hinweg in Naomis ruhige Augen. Die Neugier stand ihr im Gesicht geschrieben, während sie geduldig darauf wartete, dass Stella weitersprach. »Als Sadie fünf war, ist ihre Mom gestorben, und meine Mutter war ihr Kindermädchen.« Stella stellte ihr Glas wieder auf den Tisch und beschloss, nur die Kurzfassung zum Besten zu geben. »Meine Mutter wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf«, erklärte sie und wiederholte, was sie zu Hause unzählige Male gehört hatte. »Sobald sie alt genug war, jobbte sie im Super-8-Hotel und im El-Sombrero-Restaurant. Die einzige Möglichkeit, ihrer Familie zu entkommen, war, einen Nachbarjungen zu heiraten und in fünf Jahren fünf Kinder zu bekommen.« Sie raffte ihre Haare im Nacken zusammen und strich sie über die Schulter nach vorn. »Aber sie wollte mehr und antwortete auf das Inserat einer Kindermädchen-Agentur. Ihre erste Stelle bekam sie auf der JH-Ranch, im Texas Panhandle.« Sie dachte an das alte Foto ihrer Mutter, das ihre Großmutter am Tag ihrer Abreise nach Texas aufgenommen hatte. Auf dem verblassten Foto sah Marisol blutjung und hübsch aus, und ihre Augen strahlten vor Aufregung. »Sie hatte drei Monate auf der Ranch gearbeitet, als sie feststellte, dass sie schwanger war.« Es gelang ihr immer noch nicht, sich ihre junge Mutter mit dem griesgrämigen Clive Hollowell vorzustellen. »Als sie es meinem Vater sagte, schickte er sie zurück nach New Mexico und bezahlte sie dafür, dass sie dort blieb.«
    Naomi schnappte entsetzt nach Luft. »Ihre Mutter muss am Boden zerstört gewesen sein.«
    »Wie meine Großmutter immer sagt: Fue por lana y salió trasquilado . Sie suchte nach Wolle und kam geschoren zurück.« Gütiger Himmel. Der Wein bewirkte mehr als nur eine wohlige Wärme in ihr, wenn sie schon ihre Großmutter zitierte. Diese hatte unzählige Sprichwörter auf Lager und keinerlei Hemmungen, sie an den Mann zu bringen. Unzählige nervige Mythen, Legenden und Regeln, die sie unbekümmert weitergab.
    »Manchmal verstehe ich die Männer nicht.« Naomi war erschüttert. »Wie kann ein Vater so etwas tun?«
    Stella wusste nicht, was schlimmer war. Dass ihr Vater mit der Hausangestellten geschlafen hatte oder dass ihre Mutter mit ihrem Chef ins Bett gestiegen war. Dass ihr Vater mit einer Frau geschlafen hatte, die fünfunddreißig Jahre jünger war als er, oder dass ihre Mutter Mr Hollowell gesehen und nur an sein großes Haus und einen Haufen Kohle gedacht hatte. »Ich kannte ihn gar nicht richtig. Ich habe ihn nur fünfmal in meinem Leben gesehen.« Und auch wenn ihre Mutter nach Wolle gesucht hatte, war sie im Grunde nicht geschoren zurückgekommen. Das große Haus hatte sie zwar nicht bekommen, dafür aber ein hübscheres in einer besseren Wohngegend von Las Cruces, New Mexico. Sie hatte zwar Clive Hollowells Millionen nicht bekommen, dafür aber genug Geld, um sich selbst und ihre Familie durchzufüttern. Stella wollte nicht so weit gehen zu behaupten, dass ihre Mutter absichtlich schwanger geworden war, doch als Unfall würde sie es auch nicht gerade bezeichnen.
    »Ist das alles?«, fragte Naomi.
    Als sie ihren Vater zum letzten Mal gesehen hatte, war sie elf gewesen. Sie hatte sich verzweifelt gewünscht, dass er sie mochte, aber das hatte er nicht. »Einmal hat er mir Porzellanpferde mitgebracht. Ich habe mit ihnen gespielt, bis die Beine abbrachen.« Das klang so mitleiderregend, dass sie rot geworden wäre, hätte sie nicht schon den Pinot intus gehabt. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen mit dem verzweifelten Wunsch, von ihrem Vater und ihrer Schwester

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