Kuessen gut, alles gut
es derzeit war, und es war am besten, gar nicht drüber nachzudenken. »Meine Mutter ist die Treuhänderin.«
Seine Augenbrauen senkten sich unter den silbernen Rand seiner Sonnenbrille. »In welchem Alter soll der Fonds auf dich übergehen?«
»Mit fünfundzwanzig oder im Falle einer Heirat.« Weshalb ihr Stiefvater, als sie achtzehn war, mit ihr nach Las Vegas gefahren war und versucht hatte, sie zu einer Heirat mit seinem Neffen zu zwingen. Carlos und ihre Mutter waren damals zwar schon jahrelang geschieden, doch er hatte die Hoffnung nie aufgegeben, die Kontrolle über das viele Geld zu erlangen. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass Stella da nicht mitspielen würde.
»Du bist schon achtundzwanzig«, betonte er unnötigerweise.
Sie schüttelte den Kopf und verdrängte die Erinnerung an diese Tage. Während der Autofahrt nach Las Vegas hatte sie noch an einen Kurzurlaub geglaubt, nur um nach ihrer Ankunft mit einem Jungen ihres Alters, der kein Englisch sprach, in ein Hotelzimmer eingesperrt zu werden. Er war noch verängstigter gewesen als sie und hatte zugesehen, wie sie aus dem Badfenster getürmt war, während Carlos schlief. Sie erinnerte sich, wie sie ihre Mutter angerufen hatte und wie verletzend deren Reaktion gewesen war. Stella hatte das Gefühl gehabt, als wäre Marisol eher verärgert als besorgt gewesen. Eher verärgert wegen des möglichen Verlusts des Geldes als besorgt um Stellas Wohlergehen. »Das Geld gehört meiner Mutter«, wiederholte sie. »Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt damit und unterstützt meine Großmutter und die anderen Verwandten in Mexiko.«
»Und was ist mit dir?«
»Sie hat für mich gesorgt, bis ich achtzehn war.« Sie besaß vielleicht nicht das Neuste und Beste von allem, aber andere Menschen hatten noch viel weniger. »Danach habe ich für mich selbst gesorgt.«
»Dein Vater hat das Geld in einem Treuhandfonds für dich angelegt. Du hättest mit fünfundzwanzig die Kontrolle darüber bekommen sollen.«
»Es liegt jetzt auf einem Gemeinschaftstreuhandkonto.«
»Was?« Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er sie irritiert an und richtete den Blick wieder auf die Straße. »Wie kommt das denn?«
Stella zuckte mit den Schultern. »Schuldgefühle.« An Stellas fünfundzwanzigstem Geburtstag, dem Tag, an dem der Fonds nahtlos auf Stella übergehen und die Funktion ihrer Mutter als Treuhänderin enden sollte, war sie mit einer Mappe voller Dokumente zu Stella gekommen und hatte ihr jede Menge Schuldgefühle eingeredet. Wie sollten Marisol und ihre Großmutter ohne das Geld überleben? Wollte Stella etwa, dass sie alle auf der Straße lebten? War sie so selbstsüchtig, ihnen dabei zuzusehen, wie sie verhungerten?
Stella trank ihren Caramel Macchiato aus und stellte den Plastikbecher in den Getränkehalter. »Meinem Vater war ich scheißegal, und ich will nicht über sein Geld sprechen.« Diese Unterhaltung war sinnlos. Genau wie über all die Dinge nachzudenken, die sie mit dem Geld machen könnte, oder wie es wäre, wenn ihr Vater den Fonds eingerichtet hätte, weil sie ihm wichtig gewesen war. »Werden die Gallo-Brüder hinter mir her sein, wenn ich zurückkomme? Selbst, wenn ich umziehe?«
Er verrenkte sich den Hals nach einem Raststätten-Hinweisschild am Straßenrand. »Willst du ihnen in die Arme laufen, wenn du in der Stadt unterwegs bist?«
»Miami ist groß. Vielleicht vergessen sie mich.«
Er setzte den Blinker und fädelte sich auf die rechte Spur ein. »Du hast Linkie Lous schlimme Hand zerquetscht. Sie vielleicht sogar gebrochen. Ich bezweifele, dass er das vergisst.«
»Du hast Ricky k. o. geschlagen und die Blendgranate unter dem Wagen der Gallo-Brüder gezündet!« Sie spürte ein leichtes Kribbeln auf der Kopfhaut.
»So ist es.«
»Dich suchen sie sicher auch.«
»Wahrscheinlich.« Er fuhr auf das Raststättengelände.
»Was soll ich jetzt machen?«
»Tja, ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich muss mal pissen.«
»Das ist ekelhaft.« Sie rümpfte die Nase. »Sprichst du vor deiner Mutter auch so?«
»Tut mir leid.« Er stellte das Automatikgetriebe auf Parken und drehte den Zündschlüssel. »Ich muss mal verschwinden , und ich schlage vor, dass du dasselbe tust.« Er nahm seine Sonnenbrille ab und warf sie aufs Armaturenbrett. »Die nächste Pause machen wir erst wieder nach hundertfünfzehn Kilometern.«
Ihr Leben war ein einziges Chaos, das einem nur Angst machen konnte, und bis auf die Pinkelpausen-Info war er ihr keine
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