Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Mann. Jammerschade, dass ich schon morgen Nachmittag abreise.«
Ihre Antwort schien ihn zu überraschen. »Kurzer Besuch.«
Delaney zuckte mit den Achseln und zog die Hunde zu sich. »Ich hatte nie vor, lange zu bleiben.« Wahrscheinlich sah sie ihn nie wieder, und so ließ sie den Blick ein letztes Mal über die sinnlichen Konturen seines dunklen Gesichts wandern. Er sah besser aus, als ihm guttat, aber vielleicht war er auch gar nicht mehr so schlimm wie in ihrer Erinnerung. Er würde zwar nie als netter Kerl durchgehen, aber wenigstens hatte er sie nicht an den Abend erinnert, als sie auf der Motorhaube seines Mustangs gesessen hatte. Das war jetzt zehn Jahre her; vielleicht war er ja reifer geworden. »Auf Wiedersehen, Nick«, murmelte sie und trat einen Schritt zurück.
Er salutierte zum Spaß, und sie wandte sich um, lief den Weg zurück, den sie gekommen war, und zerrte die Hunde hinter sich her.
Auf der Spitze des kleinen Hügels warf sie noch einen letzten Blick über die Schulter. Nick stand noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatte, neben seinem Jeep, die Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete sie. Als sie den schattigen Wald betrat, fiel ihr die Blondine wieder ein, die Nick auf Henrys Beerdigung aufgegabelt hatte. Er mochte zwar reifer geworden
sein, aber sie ging jede Wette ein, dass in seinen Adern statt Blut das reinste Testosteron floss.
Duke und Dolores zerrten an ihren Leinen, und Delaney hielt sie fester. Sie dachte an Henry und Nick und fragte sich noch einmal, ob Henry seinen Sohn in seinem Testament bedacht hatte. Sie fragte sich, ob sie je den Versuch gemacht hatten, sich zu versöhnen, und was Henry ihr wohl hinterlassen hatte. Delaney stellte sich kurz vor, dass es eine beträchtliche Summe wäre, und malte sich aus, was sie mit dem Geld alles anstellen könnte. Zuallererst würde sie ihr Auto abbezahlen. Und dann in einem Nobelgeschäft wie Bergdorf Goodman ein Paar Schuhe erstehen. Sie hatte noch nie Achthundert-Dollar-Schuhe besessen, aber die Vorstellung reizte sie.
Und wenn Henry ihr nun eine gewaltige Summe hinterlassen hatte?
Dann würde sie ihren eigenen Salon eröffnen. Ganz klar. Einen modernen Salon mit vielen Spiegeln, Marmor und Edelstahl. Sie träumte schon lange von ihrem eigenen Laden, doch dabei standen ihr zwei Dinge im Weg. Erstens hatte sie noch keine Stadt gefunden, in der sie länger als ein paar Jahre bleiben wollte. Und zweitens besaß sie weder das Kapital noch die nötigen Sicherheiten, um das Geld dafür aufzutreiben.
Delaney blieb vor dem umgestürzten Baum stehen, über den sie vorhin geklettert war. Als Duke und Dolores darunter hindurchkriechen wollten, zerrte sie an ihren Leinen und nahm den langen Weg darum herum. Ihre Keilabsätze schwankten auf den Steinen, und ihre Zehen waren mit einer Schmutzschicht überzogen. Während sie sich mühselig durch den Kreuzdorn kämpfte, jagte ihr die Angst vor Wanzen- und Zeckenbissen kalte Schauder über den Rücken, doch sie schob die Sorge von sich, am Rocky-Mountain-Fleckfieber zu erkranken, und überlegte stattdessen, wie sie den perfekten Nobelsalon einrichten
könnte. Sie würde erst mal mit fünf Friseursesseln anfangen, und die Stylisten müssten die Bedienstationen zur Abwechslung mal von ihr mieten. Da sie nicht gern Maniküren übernahm und Pediküren regelrecht hasste, wollte sie speziell dafür jemanden einstellen. Sie selbst würde bei dem bleiben, was sie gern machte: Haare schneiden, den Kundinnen Honig ums Maul schmieren und ihnen Latte macchiato servieren. Anfangs würde sie fürs Schneiden und Föhnen fünfundsiebzig Dollar berechnen. Ein Schnäppchenpreis für ihre Dienste, und wenn sie einen festen Kundenstamm hatte, würde sie die Preise nach und nach anheben.
Gott schütze Amerika und die freie Marktwirtschaft, wo jeder das Recht hatte, in Rechnung zu stellen, was er wollte. Dieser Gedanke brachte sie wieder zum Ausgangspunkt zurück, zu Henry und seinem Testament. So gern sie auch von ihrem eigenen Salon träumte, so bezweifelte sie doch ernsthaft, dass Henry ihr Geld hinterlassen hatte. Wahrscheinlich war es eher etwas, wovon er genau wusste, dass sie es nicht wollte.
Während Delaney sich vorsichtig einen Weg über den Huckleberry Creek suchte, sprangen die Hunde mit Schwung hinein und bespritzten sie mit eiskaltem Wasser. Wahrscheinlich hatte Henry ihr nur einen kleinen Gag hinterlassen. Etwas, das sie noch lange Zeit quälen würde. Zum Beispiel zwei widerspenstige
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