Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
West.
»Wie finden Sie es?«, fragte sie und reichte der Frau einen ovalen Spiegel.
»Hm. Drehen Sie mich mal.«
Delaney drehte den Stuhl, damit Wanetta ihren Hinterkopf sehen konnte.
»Sieht gut aus, aber für die kleinen Löckchen vorne ziehe ich Ihnen fünfzig Cent ab. Ich habe nie gesagt, dass ich für Extralocken zahle.«
Verärgert runzelte Delaney die Stirn und nahm ihr die Halsschutzkrause und den silbernen Plastikumhang ab.
»Sie gewähren doch Seniorenrabatt, nicht? Helen ist nicht so gut wie Sie, aber sie gibt Seniorenrabatt.«
Wenn sie so weitermachte, konnte sie den Laden bald dichtmachen. Sobald Mrs Van Damme gegangen war, sperrte Delaney den Laden zu und hängte ihren grünen Kittel weg. Sie griff nach ihrer Vinyljacke und verließ das Haus durch die Hintertür. In dem Moment, als sie nach draußen trat und sich umdrehte, um die Tür hinter sich zu schließen, kam auf dem Parkplatz, der für »Allegrezza-Bau« reserviert war, ein staubiger schwarzer Jeep zum Stehen. Sie sah über ihre Schulter und ließ fast die Schlüssel fallen.
Nick stellte den Motor ab und steckte den Kopf aus dem Fenster. »Hey, Wildkatze, wo willst du in dieser Nuttenaufmachung hin?«
Sie drehte sich langsam um und zog ihre Jacke über. »Das ist keine Nuttenaufmachung.«
Als er aus dem Geländewagen stieg, musterte er sie genau. Er fing bei ihren Stiefeln an und arbeitete sich langsam weiter nach oben vor. Ein träges Lächeln umspielte seine Lippen. »Sieht aus, als hätte jemand echt Spaß dabei gehabt, dich mit Isolierband einzuwickeln.«
Sie zog ihre Haare hinten aus dem Kragen und unterzog
ihn derselben Musterung, der er sie gerade unterworfen hatte. Seine Haare waren zu einem strammen Pferdeschwanz zurückgebunden, und aus seinem blauen Arbeitshemd waren die Ärmel herausgetrennt worden. Seine Jeans war so abgetragen, dass sie stellenweise fast zu Weiß verblasste, und seine Stiefel waren staubig. »Stammt die Tätowierung aus dem Knast?«, fragte sie und deutete auf den Dornenkranz, der seinen nackten Bizeps umgab.
Sein Lächeln erstarb, und er antwortete nicht.
Delaney konnte sich nicht erinnern, je die Oberhand über Nick bekommen zu haben. Er war schon immer schneller und gemeiner gewesen als sie. Doch das war früher gewesen, mit der alten Delaney. Die neue Delaney reckte ihre Nase in die Luft und ließ es darauf ankommen. »Weshalb warst du eigentlich im Knast? Hast du dich in der Öffentlichkeit unsittlich entblößt?«
»Ich hab eine rothaarige Klugscheißerin erwürgt, die früher mal blond war.« Er trat mehrere Schritte auf sie zu und blieb so nahe vor ihr stehen, dass er sie hätte berühren können. »Aber das war es wert.«
Delaney schaute unschuldig zu ihm auf und lächelte. »Hast du dich gebückt und die Seife aufgehoben?« Sie rechnete mit einer wütenden Reaktion. Mit einer grausamen Bemerkung. Mit etwas, das in ihr den Wunsch auslösen würde, beim Anblick seines Jeeps sofort die Flucht ergriffen zu haben. Aber es kam nichts.
Stattdessen schaukelte er lässig auf die Fersen zurück und grinste. »Der war gut«, meinte er und lachte, und es war das tiefe, selbstsichere Lachen eines Mannes, der todsicher wusste, dass niemand je auf die Idee käme, seine sexuelle Orientierung infrage zu stellen.
Sie konnte sich nicht erinnern, ihn je lachen gehört zu haben, es sei denn, es war auf ihre Kosten gegangen. Wie damals, als
ihre Mutter sie gezwungen hatte, sich für die Halloween-Parade als Schlumpf zu verkleiden, und Nick und seine rowdyhaften Kumpels bei ihrem Anblick in brüllendes Gelächter ausgebrochen waren.
Doch dieser Nick hier war entwaffnend. »Es scheint, als nähmen wir beide aktiv an Louies Hochzeit teil.«
»Ja. Wer hätte gedacht, dass meine beste Freundin mal beim bekloppten Louie Allegrezza landet?«
Sein Lachen klang tief und aufrichtig. »Wie läuft das Geschäft?« , fragte er und brachte sie damit vollends aus dem Konzept.
»Ganz gut«, antwortete sie. Als er das letzte Mal nett zu ihr war, hatte sie ihm erlaubt, sie splitternackt auszuziehen, während er komplett angezogen geblieben war. »Ich brauche nur noch ein paar neue Tür- und Riegelschlösser.«
»Warum? Hat jemand versucht einzubrechen?«
»Ich weiß nicht so recht.« Verlegen senkte sie den Blick auf die gefalteten Papiere, die aus seiner Brusttasche ragten. Bloß nicht in seine Traktorstrahler-Augen schauen! »Ich habe für den Laden nur einen Schlüssel bekommen, aber es müssen irgendwo noch andere
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