Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
zu legen und Haare zu Turmfrisuren zu sprühen. Perücken zu waschen und zu stylen, war ihr richtiggehend verhasst. Aber am allermeisten hasste sie es, nicht tun zu können, was sie am liebsten tat, nämlich dafür zu sorgen, dass gewöhnliche Frauen außergewöhnlich aussahen. Sie liebte das Dröhnen der Föhne, das schnelle Schnippeln und den chemischen Geruch von Haarfärbemitteln und Dauerwellenlösungen. Bevor sie zu Henrys Beerdigung zurück nach Truly gekommen war, hatte sie Spaß am Leben gehabt. Einen netten Freundeskreis und einen Job, der sie begeisterte.
Nur noch sieben Monate und fünfzehn Tage, tröstete sie sich. Noch sieben Monate, dann konnte sie hinziehen, wohin sie wollte. Entschlossen stand sie auf und griff nach den Hundeleinen. Eine halbe Stunde später kam sie vom Gassigehen zurück und sperrte die Hunde wieder in den Zwinger. Als sie gerade ihre Autotür öffnen wollte, kam Gwen nach draußen.
»Kannst du zum Abendessen bleiben?«, fragte ihre Mutter und schlang sich einen beigefarbenen Angorapulli um die Schultern.
»Nein.«
»Tut mir leid, dass ich so früh von deiner Party wegmusste.«
Delaney fischte die Autoschlüssel aus ihrer Tasche. Normalerweise biss sie sich auf die Zunge und beherrschte sich, doch dazu war sie heute nicht fähig. »Nein, das glaub ich dir nicht.«
»Natürlich tut es das. Warum sagst du so was zu mir?«
Sie musterte ihre Mutter, ihre blauen Augen und das blonde Haar, das zu einem klassischen Bob geschnitten war. »Ich weiß nicht«, antwortete sie und beschloss, sich nicht in einen Streit verwickeln zu lassen, in dem sie sowieso den Kürzeren ziehen würde. »Ich hatte einen echten Scheißtag. Wenn du willst, komme ich morgen zum Abendessen.«
»Morgen hab ich schon was vor.«
»Dann eben Montag«, sagte Delaney und ließ sich in ihren Wagen gleiten. Sie winkte zum Abschied, und sobald sie wieder in ihrer Wohnung war, rief sie Lisa an. »Hast du heute Abend Zeit?«, fragte sie, sobald ihre Freundin abnahm. »Ich brauche einen Absacker, vielleicht auch zwei.«
»Louie schiebt Überstunden, also können wir uns kurz treffen.«
»Wollen wir uns bei Hennesey’s treffen? Da spielt heute Abend eine Blues-Band.«
»Okay, aber wahrscheinlich bin ich schon wieder weg, bevor die loslegen.«
Delaney war ein bisschen enttäuscht, aber sie war ans Alleinsein gewöhnt. Als sie aufgelegt hatte, duschte sie und warf sich in einen grünen bauchfreien Pulli und eine Jeans, schüttelte ihr Haar auf und schminkte sich. Dann zog sie ihre Doc Marten’s und ihre Lederjacke an und lief die drei Blocks zu Hennesey’s zu Fuß. Als sie dort ankam, war es halb sieben, und die Bar
war voll mit Leuten, die nach Feierabend noch einen heben wollten.
Hennesey’s war eine ziemlich große Bar, in der man von einer Empore auf die untere Ebene hinabsah. Die Tische auf beiden Ebenen waren eng zusammengerückt, und auf der riesigen Tanzfläche war eine tragbare Bühne aufgestellt worden. Momentan brannten die Lichter in der Bar noch grell und die Tanzfläche war ausgestorben. Später würde sich das ändern.
Delaney besetzte einen Tisch im hinteren Teil der Bar und süffelte schon ihr erstes Bier, als Lisa eintrudelte. Sie warf einen Blick auf ihre Freundin und deutete mit dem Zeigefinger auf Lisas Pferdeschwanz. »Ich sollte dir mal die Haare schneiden.«
»Keine Chance.« Lisa bestellte sich ein Miller Lite und wandte sich wieder Delaney zu. »Weißt du noch, was du Brigit angetan hast?«
»Welcher Brigit?«
»Der Puppe, die meine Urgroßmutter Stolfus mir mal geschenkt hat. Du hast ihr die langen, goldenen Ringellocken abgesäbelt, sodass sie wie Cyndi Lauper aussah. Seitdem bin ich traumatisiert.«
»Ich verspreche dir hoch und heilig, dass du danach nicht wie Cyndi Lauper aussiehst. Ich mache es dir sogar umsonst.«
»Ich denk drüber nach.« Lisas Bier kam, und sie zahlte bei der Kellnerin. »Ich hab heute die Brautjungfernkleider bestellt. Wenn sie geliefert werden, musst du zur letzten Anprobe zu mir nach Hause kommen.«
»Werde ich aussehen wie eine Reiseleiterin auf einer Südstaatenplantage?«
»Nein. Die Kleider sind aus weinrotem Stretchsamt. Eine ganz schlichte A-Linie, damit ihr die Aufmerksamkeit nicht von der Braut ablenkt.«
Delaney trank einen Schluck Bier und lächelte. »Das könnte ich sowieso nicht, aber du solltest dir wirklich überlegen, ob ich dir an deinem großen Tag nicht die Haare machen soll. Das wird bestimmt lustig.«
»Vielleicht darfst du
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