Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
den Motorradständer hoch und drückte auf den Zündungsknopf. Der V-Twin-Motor erwachte dröhnend zum Leben, ließ die stille Nachtluft erbeben und brachte seine Oberschenkel zum Vibrieren. Wegen einer Frau hart zu werden, mit der er gar nicht ins Bett wollte, war kein Problem für ihn. Wegen dieser speziellen Frau einen Steifen zu kriegen, schon.
Nick ließ das Motorrad aufheulen, schoss durch die Gasse und fuhr nur etwas langsamer, als er in die First einbog. Er fühlte sich rastlos und blieb nur so lange zu Hause, bis er geduscht hatte. Die Stille ging ihm durch und durch, ohne dass er den Grund dafür kannte. Er brauchte eine Zerstreuung, eine Ablenkung, und so landete er mit einem Bier in der Hand und Lonna Howell auf dem Schoß bei Hennesey’s.
Von seinem Tisch aus hatte man einen guten Blick auf die Tanzfläche, die vollkommen in Dunkelheit getaucht und mit langsam tanzenden Menschen gefüllt war, die sich zum sinnlichen Rhythmus des Blues bewegten, der aus den anderthalb Meter hohen Lautsprechern strömte. Bunte Lichtstrahlen beleuchteten die Band, und mehrere Reihen Schienenbeleuchtung erhellten den vorderen Teil der Bar. Doch der Großteil der Kneipe war so stockfinster, dass man sich so manche Sünde erlauben konnte.
Eigentlich hatte Nick keine spezielle Sünde im Sinn, doch die Nacht war noch jung und Lonna zu allem bereit.
SECHS
Delaney legte die Hände um den Nacken ihres Exfreundes und bewegte sich langsam mit ihm zum Rhythmus der Bluesgitarre. Tommy wieder so nahe zu sein, kam ihr ein bisschen vor wie ein Déjà-vu. Doch die Arme, die sie nun festhielten, waren die eines Mannes. Als Junge hatte er über keinerlei Rhythmusgefühl verfügt, genauso wenig wie als Erwachsener. Damals hatte er nach Irischer-Frühling-Seife gerochen; jetzt trug er ein Eau de Cologne, also nicht den frischen Duft, den sie stets mit ihm assoziiert hatte. Er war ihre erste Liebe gewesen und hatte ihr Herzklopfen und Pulsrasen beschert; jetzt bekam sie keins von beiden.
»Erklär mir noch mal«, raunte er Delaney ins Ohr, »warum wir keine Freunde sein können.«
»Weil deine Frau mich hasst.«
»Ach ja.« Er zog sie noch näher an sich, ließ die Hände aber auf ihrem Rücken. »Aber ich mag dich.«
Seine schamlose Flirterei hatte vor einer Stunde angefangen, gleich als Lisa gegangen war. Er hatte Delaney schon zwei unsittliche Anträge gemacht, war dabei aber so charmant gewesen, dass sie ihm nicht böse sein konnte. Er brachte sie zum Lachen und ließ sie vergessen, dass er ihr einst das Herz gebrochen hatte, indem er sich für Helen entschied.
»Warum wolltest du damals an der Highschool nicht mit mir schlafen?«, fragte er.
Sie hatte es ja gewollt – wirklich gewollt. Damals war sie bis
über beide Ohren in ihn verschossen und mit rasenden Teenagerhormonen vollgepumpt. Doch stärker als ihr Verlangen nach Tommy war die panische Angst, ihre Mutter und Henry könnten Wind davon bekommen, dass sie mit einem Jungen schlief. »Du hast mich abserviert.«
»Nein. Du hast mich abserviert.«
»Nur, weil ich dich mit Helen im Bett erwischt habe.«
»Ach ja.«
Sie zog sich so weit zurück, dass sie ihm ins Gesicht sehen konnte, das auf der verdunkelten Tanzfläche kaum zu erkennen war. »Das war furchtbar«, sagte sie, und er stimmte verlegen in ihr Lachen ein.
»Das war echt scheiße. Ich hab mich deshalb immer mies gefühlt, aber ich wusste nicht, was ich dir danach noch hätte sagen sollen«, gestand er. »Ich wusste zwar, was ich hätte sagen wollen , aber das hätte dir sicher nicht gefallen.«
»Was denn?«
Seine Zähne blitzten in dem schummrigen Licht weiß auf. »Dass es mir leid tat, dass du mich mit Helen in flagranti erwischt hast, aber dass wir trotzdem noch miteinander hätten gehen können.«
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als sie vor lauter Verliebtheit seinen Namen in all ihre Schulhefte gekritzelt und von einem Häuschen im Grünen mit Tommy Markham geträumt hatte.
»Hättest du das gut gefunden?«
»Nein«, antwortete sie, zutiefst dankbar dafür, dass er nicht ihr Ehemann war.
Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Stirn. »Das ist meine stärkste Erinnerung an dich. Das Wörtchen ›nein‹«, raunte er, und sein Atem strich über ihre Haut. Die Musik verklang, und er machte sich von ihr los und lächelte ihr ins
Gesicht. »Ich bin froh, dass du wieder da bist.« Er brachte sie an ihren Tisch zurück und schnappte sich seine Jacke. »Wir sehen uns.«
Delaney schaute ihm
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