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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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während Lüder ihr Gesicht
musterte. Es waren ebenmäßige Gesichtszüge, denen aber der letzte Schliff zur
Vollkommenheit fehlte. Die Nase war zu spitz, die Augenbrauen ein wenig zu
schmal rasiert. Auch das Make-up war höchstens alltagstauglich. Trotzdem war
die Frau nicht unattraktiv. Lüder schätzte sie ein paar Jahre älter ein als
seine eigenen neununddreißig Lebensjahre.
    Sie lauschte aufmerksam dem Teilnehmer, der ihr eine
längere Mitteilung unterbreitete.
    »Wo?«, fragte sie, dem ein »Wann?« folgte. »Gibt es
schon Einzelheiten? Ist eine Ringfahndung veranlasst?« Dann schloss sie das
Gespräch mit der Bemerkung: »Ich komme sofort.«
    »Was ist passiert?«, wollte Lüder wissen, doch Frauke
Dobermann winkte ab.
    »Nichts für Sie.«
    Sie stand auf und kramte in ihrer Handtasche nach dem
Portemonnaie.
    »Ich übernehme das«, sagte Lüder beiläufig und hatte
sich ebenfalls erhoben. »Hängt es mit unserem Fall zusammen?«
    Die Hauptkommissarin schüttelte den Kopf.
    »Nein. Aber es ist genauso schlimm.« Sie sprach so
leise, dass es niemand aus der Umgebung mitbekam. »Vermutlich Kindesentführung.
In Schleswig.«
    Lüder erschrak. Immer wenn Kinder beteiligt waren,
ließ es auch hartgesottene und erfahrene Polizeibeamte erschaudern. Schließlich
waren sie häufig selbst Väter und Mütter.
    »Ich begleite Sie«, sagte er kurz entschlossen.
    »Nein«, erwiderte sie bestimmt. » Ich heiße
Dobermann, doch Sie heften sich an meine Fersen wie ein Schoßhündchen.«
    »Glauben Sie einfach, dass ich Ihr Parfüm
unwiderstehlich finde«, entgegnete er und folgte ihr ungeachtet ihres
Protestes.
    Sie holte das Blaulicht heraus, platzierte es auf dem
Dach und fuhr über die Autobahn nach Schleswig. Außerhalb der wenigen
Wochenenden im Sommer, an denen sich die lange Kolonne der Urlauber Richtung
Norden wälzte, waren die Fernstraßen in Schleswig-Holstein überwiegend zügig zu
befahren. Das traf auch heute zu.
    Frauke Dobermann fuhr schnell, ohne dabei riskant oder
unsicher zu wirken. Wenn es noch Vorurteile über das Fahrverhalten von Frauen
gab, so trafen diese nicht auf die Hauptkommissarin zu. Lüder musste sich
konzentrieren, um Anschluss zu halten. Obwohl auch er mit Blaulicht fuhr, hatte
er eine brisante Situation zu bewältigen, als ein Fahrzeug mit einem Goslarer
Kennzeichen das erste Einsatzfahrzeug zwar passieren ließ, hinter Frauke
Dobermann aber, ohne zu blinken, wieder auf die Überholspur ausscherte und
Lüder zu heftigem Bremsen zwang. Zuerst hatte er sich über dieses Verhalten
geärgert, als er nach dem Überholvorgang aber das erschrockene Gesicht einer
Mutter, die ihre vielköpfige Familie gen Norden kutschierte, und ihre
entschuldigende Geste sah, war sein Groll schnell verflogen. Durch diese
Begebenheit hatte er den Anschluss verloren und konnte erst an der Abfahrt
Schleswig/Schuby wieder aufschließen.
    Für die ganze Strecke hatten sie weniger als zwanzig
Minuten benötigt.
    Die Streifenbeamten von der Polizeizentralstation
Schleswig, die zuerst eingetroffen waren, hatten das Areal vor dem Reihenhaus
der Familie Joost abgesperrt. Neben den drei Einsatzfahrzeugen stand ein
Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes.
    Rund um den Tatort hatten sich inzwischen zahlreiche
Neugierige eingefunden.
    Frauke Dobermann ging auf einen Polizeihauptkommissar
zu, der zur Begrüßung an den Mützenschirm tippte.
    »Voss, Schleswig«, stellte er sich kurz vor, als er
Lüder sah. Frauke Dobermann war ihm bekannt. »Die Frau hat mitbekommen, wie ein
Mann in einem schwarzen Golf vor der Tür hielt, ihre Kinder schnappte, brutal
in das Fluchtauto warf und davonbrauste. Sie hat noch versucht, den Mann
aufzuhalten, aber er hat sie niedergeschlagen. Mehr wissen wir auch nicht.«
    »Läuft die Fahndung?«, fragte die Dobermann.
    Der Polizist nickte.
    »Täterbeschreibung? Zeugen?«
    »Die Beschreibung ist sehr vage. Damit konnten wir
nicht viel anfangen. Zeugen haben wir noch keine gefunden. Die Kollegen
befragen schon die Schaulustigen. Aber keiner hat etwas gesehen.«
    »Gibt es weitere Anhaltspunkte? Kennzeichen? Baujahr?«
    Jetzt schüttelte der Polizist den Kopf.
    »Leider nicht. Mehr konnte uns die Frau nicht sagen.
Außerdem ist da noch etwas schiefgelaufen.«
    »Was?«, fragte Frauke Dobermann.
    »Vielleicht verständlich«, versuchte der uniformierte
Beamte vorzubeugen, »aber zwischen der Tat und der Alarmierung ist kostbare
Zeit verstrichen, weil die Frau im ersten Schreck zunächst ihren Mann

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