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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Ihr Kinn knallt auf die Tischplatte, weil Sie eingeschlafen sind.«
    »Frau Dober mann«, betonte Lüder ihren Namen
überdeutlich. »Ihr Chef muss eine sehr lange Kette haben, denn so etwas wie Sie
darf man wirklich nicht frei herumlaufen lassen.«
    Im Stillen zollte er ihr Anerkennung. Sie war zwar
bissig und verstand es, auszuteilen. Häufig war es solchen Menschen eigen,
selbst mimosenhaft auf Anwürfe des Gegenübers zu reagieren. Sie aber steckte
seine Kommentare klaglos weg. Ich darf es sie nicht merken lassen, überlegte
er, aber – irgendwie – mag ich die Dobermann und ihre Art.
    Die kurze Rückfahrt zum Ort der Entführung verlief
schweigend. Dort stieg er in seinen BMW um und fuhr zurück nach Kiel.
    Wohl jeder kennt die Geschichte von den
Heinzelmännchen zu Köln, die nachts den Haushalt gemacht haben. Und wäre die
Hausfrau nicht zu neugierig gewesen und hätte um jeden Preis die dienstbaren
Geister sehen wollen, hätte sie noch lange von deren Hilfsbereitschaft
profitieren können.
    An diese Geschichte dachte Lüder, als er sein Büro
betrat. Niemand hätte den heimlichen Helfern hinterhergespürt, wenn sie sich
der unerledigten Arbeiten auf seinem Schreibtisch angenommen hätten. Aber das,
spann er den Faden weiter, ist eben der Unterschied zwischen Köln und Kiel. Und
dass es hier schöner ist, schloss er seinen gedanklichen Ausflug ab, wobei die
Domstädter mit Fug und Recht das Gleiche über ihre Heimat behaupten würden.
    Während seiner Abwesenheit waren keine Heinzelmännchen
erschienen. Stattdessen musste Friedjof da gewesen sein, denn auf Lüders
Schreibtisch lag neue Post.
    Er blätterte die Papiere kurz durch und legte sie mit
einem Seufzer auf die Seite. Dann rief er Nathusius an und bat um ein Gespräch.
    Wenig später saß er dem Kriminaldirektor gegenüber und
berichtete von seinem Besuchen in Rendsburg und Schleswig. Geduldig hörte sein
Vorgesetzter zu. Erst nachdem Lüder seine Zusammenfassung vorgetragen hatte,
nickte Nathusius bedächtig.
    »Oberstaatsanwalt Brechmann hat mich bereits
informiert und sich über Sie beschwert. Er hält Ihren Verdacht gegen Senkbiel
für nicht ausreichend. Er war erbost darüber, dass Sie sich den
Durchsuchungsbeschluss dann doch über die Staatsanwaltschaft Flensburg besorgt
haben. Ich hatte den Eindruck, dass auch zwischen ihm und Dr. Breckwoldt aus
Flensburg ein heftiger Zwist ausgebrochen ist.« Nathusius lächelte. »Herr
Brechmann war wütend, weil Flensburg das Verfahren an sich gezogen hat. Im
Übrigen hat Brechmann eine offene Rechnung mit Ihnen. Er hat es nicht verwinden
können, dass Sie ihn im Fall des argentinischen Marineoffiziers und der
Ermordung von Staatsanwalt Kremer in die Schranken seiner fachlichen Kompetenz
gewiesen haben und ihn dabei vor das berufliche Schienbein traten. Seitdem
hinkt seine Karriere ein wenig.«
    Jetzt lachte auch Lüder. »Eine tolle bildhafte
Darstellung.«
    »Haben Sie schon Fortschritte bei der Suche nach
Staatssekretär Windgraf gemacht?«, wechselte Nathusius abrupt das Thema.
    »Leider nicht. Dazu hatte ich noch keine Gelegenheit.«
    »Vielleicht sollten Sie sich auf diese Sache
konzentrieren. So menschlich berührend die Entführung der Kinder auch sein mag,
glaube ich nicht, dass es ein Fall ist, mit dem wir uns beschäftigen
sollten. Unsere Vorgesetzten werden wenig Verständnis zeigen, wenn wir nicht
bald Erfolge vorweisen können. In den praxisfernen Kreisen kann man nicht
nachvollziehen, mit welchem Aufwand unsere Arbeit an der Front verbunden ist.«
    »Ein ausgewachsener Staatssekretär kann allein laufen.
Das trifft nicht auf die beiden Kinder zu. Und ihre Eltern benötigen bestimmt
mehr Unterstützung als ein Politiker, der aus welchen Gründen auch immer den
Ausstieg gewählt hat.«
    Nathusius wies mit dem Zeigefinger auf Lüder. »Ich
verstehe Ihr Denken. Aber das ist hier nicht gefragt. Wir werden an den
Erfolgen gemessen, die uns als Vorgaben erteilt werden. Es gibt außer Ihnen
noch andere tüchtige Polizeibeamte in Schleswig-Holstein. Überlassen Sie den
Entführungsfall den Kollegen und konzentrieren Sie sich auf die Briefbombe und
die Suche nach Staatssekretär Windgraf.«
    »Ja – ja«, murmelte Lüder.
    »Diese Antwort umschreibt etwas, das wir bei Kindern sofort
rügen würden, wenn sie diesen Ausspruch verwenden würden«, sagte der
Kriminaldirektor.
    »So meine ich es nicht«, entschuldigte sich Lüder,
»aber ich habe keinen Zwillingsbruder und muss deshalb die Arbeit

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