Küstenfilz
zugesandt.
Willi Kwiatkowski
war neununddreißig Jahre alt und wohnte in Mülheim an der Ruhr. Er hatte eine
Lehre als Bankkaufmann absolviert und war seit knapp zehn Jahren als
Privatermittler tätig. Gegen den Mann lag nichts vor. Es hatte in der
Vergangenheit Anzeigen gegen ihn wegen Hausfriedensbruch, Verdacht auf Einbruch
und Verletzung der Persönlichkeitsrechte Dritter gegeben. Die Verfahren waren
aber gegen Auflagen oder aus Mangel an Beweisen immer eingestellt worden. Daher
war Kwiatkowski wohl auch sofort bereit gewesen, Lüder den Speicherchip seiner
Digitalkamera auszuhändigen.
Der Detektiv hatte
keine Mitarbeiter und war öfter als Subunternehmer für die Argus
Wirtschaftsauskünfte GmbH mit Sitz in Essen tätig. Auch zu diesem Unternehmen
hatte Edith Beyer Erkundigungen eingezogen. Den Unterlagen nach handelte es
sich um ein in Westdeutschland bekanntes Unternehmen, das über einen größeren
Mitarbeiterstamm verfügte und mit Tochterunternehmen auch Sicherheitsdienste
und Geldtransporte anbot.
Lüder sah von seinem
Bildschirm auf. Wer ließ den Landrat des Kreises durch einen Privatdetektiv
bespitzeln? War doch etwas wahr an dem Gerücht, das die Boulevardzeitung
verbreitet hatte, dass geheime Pläne vorliegen würden? Diese Vermutung
verdichtete sich, als Lüder den letzten Teil des Dossiers las. Irgendwer hatte
gründliche Arbeit geleistet und den Bericht über die Argus Wirtschaftsauskünfte
um den Hinweis ergänzt, dass diese eng mit der Anwaltskanzlei »Goldstein Latham
van Scholven« verbunden sei. Von dieser Großkanzlei hatte Lüder schon gehört.
Sie rühmte sich bester Kontakte zu internationalen Multis und unterhielt Büros
in New York, London, Paris und anderen wichtigen Finanzplätzen der Welt. In
Deutschland waren die Anwälte an den beiden bedeutendsten Schaltzentralen des
großen Geldes vertreten: in Frankfurt und in Düsseldorf.
Das sollte für heute
reichen, beschloss Lüder. Dann griff er trotzdem noch einmal zum Telefon und
rief Frauke Dobermann an. Das Schicksal der Kinder ließ ihm keine Ruhe.
»Wir haben keine
richterliche Genehmigung für die Überwachung der Telefone der Eheleute Joost
bekommen. Es gibt keine neuen Spuren oder Hinweise auf die Täter. Wir tappen
derzeit absolut im Dunkeln«, fasste die Hauptkommissarin den aktuellen Stand
zusammen.
Lüder konnte die
Beklommenheit nicht abschütteln, als er heimfuhr. Es war ein Gefühl der Ohnmacht,
wenn er an die Kinder und ihre Eltern und an die durch die Täter erzwungene
Tatenlosigkeit der Polizei dachte. Natürlich würden Frauke Dobermann und ihr
Team im Verborgenen weiter ermitteln, aber die Möglichkeiten waren doch
erheblich eingeschränkt, weil sie von allen Informationen, die auf die
Entführer weisen könnten, abgehängt waren.
*
Zu Beginn des zweiten Jahrtausends unserer
Zeitrechnung hatten die streitlustigen und eroberungslüsternen Wikinger am
südlichen Ende der Schlei, gegenüber dem heutigen Schleswig, mit Haithabu den
bedeutendsten Handelsplatz Nordeuropas geschaffen. Heute galt der Ort als eines
der wichtigsten Zeugnisse dieser Epoche.
Es war genau zweiundzwanzig Uhr dreiundvierzig, als in
der Rettungsleitstelle des Landkreises in Schleswig die Meldung einlief, dass
auf dem Parkplatz vor dem Freilichtmuseum ein Fahrzeug brennen würde. Der
stille Alarm wurde über Funkempfänger ausgelöst, und wenig später waren die
Männer des Löschzugs 3 der Feuerwehr Schleswig zum Einsatzort unterwegs. Schon
von Weitem sahen sie den Feuerschein.
Der Zugführer musste die Besatzungen des TLF 16 nicht groß einweisen. Jeder
Handgriff saß. Bereits während der Anfahrt hatten sich die beiden
Feuerwehrleute des Angriffstrupps mit Atemschutz ausgerüstet, um sich vor den
bei Pkw-Bränden häufig auftretenden Kunststoffdämpfen zu schützen.
Während seine Kameraden das S -Rohr für den Schnellangriff am Tanklöschfahrzeug
aufbauten, suchte der Mann am Rohr die günstigste Position zum brennenden
Fahrzeug, ohne dem Brandherd zu nahe zu kommen.
»Sieht aus wie ein BMW «,
sagte der Zugführer, der den hell auflodernden Flammen ebenso zusah wie die
anderen Männer seiner Wehr. Der zweite Mann des Angriffstrupps stand in der
Nähe seines Kameraden und hielt die Brechstange in der Hand, um hiermit bei
Bedarf die Motorhaube aufbrechen zu können.
Obwohl es im Gegensatz zu den effektheischenden
Darstellungen in Actionfilmen in der Praxis selten zu explodierenden
Benzintanks kam, war Vorsicht geboten. Das wussten auch
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