Küstenfilz
verwies
darauf, dass es sicher an den gemeinsamen Genen liegen würde. »Jonas ist ein
unschuldiges Kind. Das hat er alles von dir geerbt.«
»Mir liegt der
Bericht der Rechtsmedizin vor«, sagte die Hauptkommissarin. »Mit hoher
Wahrscheinlichkeit ist Senkbiel verbrannt. Es konnten keine anderen
Verletzungen festgestellt werden. Aber das ist relativ vage, weil die Leiche
übel zugerichtet war. Wenn Senkbiel unfreiwillig verbrannt ist, dann hat das
Feuer die Spuren verwischt.«
»Ich teile Ihre
Vermutung. Der Bursche wollte das Tatfahrzeug abfackeln. Und mit seinem kranken
Knie ist er nicht schnell genug aus dem Gefahrenbereich gekommen. Das Ganze war
höchstwahrscheinlich ein selbst verschuldeter Unglücksfall.«
Frauke Dobermann
räusperte sich. »Wir haben noch einmal Senkbiels Umfeld abgeklopft. Seine
Freunde, Familie. Auch seine Wohnung haben wir noch einmal gründlich
durchsucht. Nichts! Keine verwertbaren Kontakte. Der Mann scheint seine Wohnung
nur zum Einkaufen verlassen zu haben. Die Nachbarn haben keine Besuche
registriert. Senkbiel lebte in totaler Abgeschiedenheit.«
»Der Mann muss doch
irgendwelche sozialen Kontakte gehabt haben.«
»Keine, über die wir
etwas in Erfahrung bringen konnten. Ein kompletter Eremit.«
»Merkwürdig. Ich bin
mir sicher, dass Senkbiel die Anleitung zum Basteln der Briefbombe
weitergegeben hat, wenn er nicht selbst der Urheber war.«
»Das können wir fast
ausschließen, ich meine, dass er sie selbst gebaut hat. Wir haben aber nicht
rekonstruieren können, wie er mit den anderen Tätern im Kontakt stand. Er hat
noch ein altes analoges Telefon. Und auf seinem im Übrigen schon recht betagten PC haben wir auch nichts entdecken
können.«
»Also keine Hinweise
auf irgendwelche Mittäter, von denen wir vermuten, dass sie mit der
Kindesentführung in Verbindung stehen.«
»Leider nicht.«
Frauke Dobermanns Stimme klang plötzlich müde. »Wir sind auch hier nicht
untätig gewesen und haben alle erdenklichen Varianten durchgespielt. Wer könnte
als Täter in Frage kommen? Wer verfügt über ein solches Gewaltpotenzial oder
ist schon einmal mit Kindesentführung in Verbindung gebracht worden? Da haben
wir einen Iraner, der seine eigenen Kinder entführt hat, weil er abgeschoben
wurde. Ein Kinderschänder, der die Opfer auch zeitweise in seine Gewalt
gebracht hatte, sitzt in Hamburg-Fuhlsbüttel. Auch die Frau, die einen Säugling
von der Entbindungsstation entführt hat, kommt nicht in Frage. Der Letzte auf
unserer Liste ist ein Pädophiler, der in der forensischen Abteilung im
Landeskrankenhaus Neustadt weggeschlossen ist.«
»Auf keinen von denen
dürfte unser Täterprofil passen«, sagte Lüder. »Sonst gibt es niemanden bei uns
im Norden, der in diesem Bereich vorbestraft oder auffällig geworden ist und
frei herumläuft?«
»Niemand.«
»Der Zufall wäre zu
groß gewesen, wenn Sie auf diesem Weg eine Spur hätten entdecken können. Wo
können wir noch suchen? Mir erscheint es ebenso undenkbar, den Onkel von Joost
in den Kreis der Verdächtigen einzubeziehen. Der hat zwar immense finanzielle
Probleme, aber ich halte ihn nicht für fähig, eine solche Tat zu organisieren.«
»Und wenn er doch
dahintersteckt und ihm die ganze Sache aus den Händen geglitten ist?«
»Sicher! Kein
Gedanke ist so abwegig, dass er nicht verfolgt werden sollte«, stimmte Lüder
zu. »Aber Erich Joost, der Onkel, weiß, dass sein Neffe kein Lösegeld zahlen
kann.«
»Wieso haben die
Entführer bisher noch keine Forderungen gestellt? Wenn das Lösegeld nun darin
besteht, dass die Banken von ihrem Würgegriff gegen den Onkel zurücktreten?«
»Ich kann mir kaum
vorstellen, dass diese Erpressung von Erfolg gekrönt wäre, da die Banken nicht
direkt betroffen sind. Für das Schicksal der Kinder übernehmen die keine
Verantwortung.«
»Und wenn das Ziel
der Erpresser gar nicht die Eltern sind, sondern der Landkreis?«, fragte Frauke
Dobermann.
»Ein solcher Gedanke
ist mir auch schon gekommen. Es ist merkwürdig, mit welcher Vehemenz sich der
Landrat über seine politischen Kanäle dafür eingesetzt hat, dass die Polizei
auf Anweisung aus Kiel sämtliche Ermittlungen einstellen musste.«
»Das schmutzige
politische Geschäft ist Ihr Metier«, erinnerte ihn die Hauptkommissarin.
»Ich fürchte, Ihre
Analyse ist richtig. Falls sich noch etwas ergeben sollte, können Sie mich
jederzeit erreichen. Auch am Wochenende«, sagte Lüder zur
Verabschiedung. Dann rief er seinen Freund Schönberg an,
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