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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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getroffen.
Er beugte sich vor und öffnete seine Hände, die er zuvor relaxt gefaltet in
seinem Schoß liegen hatte.
    »Selbstverständlich nicht. Ich bin Mitglied im
erweiterten Konzernvorstand und gehe davon aus, innerhalb der nächsten zwei
Jahre an den Rhein zu wechseln.«
    »Dann sind Sie also auch über die künftige Strategie
der DEU informiert?«
    »Davon können Sie ausgehen.«
    Lüder lächelte. Obwohl der Mann sicher clever war,
hatte er den Anwurf mangelnder Kompetenz nicht kommentarlos stehen lassen. Nach
der selbstbewussten Behauptung, auch über bedeutende Planungen und Strategien
seines Dienstherrn unterrichtet zu sein, konnte er sich nicht mehr mit
Unwissenheit herausreden.
    »Es geht um das geplante Atomkraftwerk an der Schlei,
das Ihr Unternehmen zu errichten beabsichtigt«, sagte Lüder. Er stellte damit
eine Behauptung auf, die weiter reichte, als das Planungsvorhaben derzeit war.
    Grimm schluckte schwer, als Lüder das Vorhaben direkt
ansprach.
    »Was ist damit?«, fragte der Manager zögernd, um dann
in den typisch arroganten Ton der selbst ernannten Wirtschaftselite gegenüber
anderen zu verfallen. »Die Landesregierung in NRW will verstärkt an neuer Atomreaktortechnik forschen lassen, um die vorhandene
Kompetenz in der Kerntechnologie zu behalten. Deutschland verliert laufend
Arbeitsplätze im Bereich einfacher Gewerke. Es wäre töricht, wenn wir unsere
Zukunft, nämlich die Hightechbereiche, freiwillig aufgeben würden. Die
Gerüchte, NRW plane auch den Bau
eines Hochtemperaturreaktors, weist der Innovationsminister der Landesregierung
zurück«, dozierte Grimm.
    »Das klingt wie ein Störmanöver, um von den viel
konkreteren Planungen um das Schleikraftwerk abzulenken. Es geht hier aber
nicht um die Sorge der DEU um
Deutschland als Technologiestandort, sondern um knallhartes Business.«
    Grimm zeigte jetzt erste Anzeichen einer Erregung. Er
bemerkte zu spät, dass Lüder ihn in eine Position gedrängt hatte, in der er
sich verteidigen musste.
    »Nehmen Sie Großbritannien, das mit seinen vierzehn AKW s neunzehn Prozent seines
Energiebedarfs deckt. Die Engländer verfehlen die Reduktion des Abbaus der
klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen dramatisch. Da gibt es kein …«
    Sie wurden durch das Klingeln des Telefons auf Grimms
Schreibtisch unterbrochen. Fast ärgerlich stand der Manager auf, ging zu seinem
Arbeitsplatz und fragte mit zorniger Stimme:
    »Was gibt es? Ich hatte ausdrücklich gebeten, mich
nicht zu stören.«
    Er hörte einen Moment zu, deckte dann die
Sprechmuschel mit der Hand ab und bat Lüder: »Entschuldigung, aber es ist der
Vorstand aus Düsseldorf.« Grimm wies mit ausgestreckter Hand auf die Tür.
»Würden es Ihnen etwas ausmachen, einen Moment draußen zu warten?«
    *
    Die Sonne stand auf der anderen Seite der Schlei. Sie
würde im Laufe des Tages am südlichen Ufer von der Schleimündung über die
Landschaft Schwansen hinwegwandern und am Abend über den von hier unsichtbaren
Kirchturmsspitzen des Schleswiger Doms untergehen.
    Jette Rasmussen saß auf der Bank vor dem Haus und
hielt ihre Tochter im Arm, während ihr Mann lässig im Türrahmen lehnte und
geräuschvoll aus der Mineralwasserflasche trank.
    »Mensch, Peter, kannst du nicht trinken, ohne
Geräusche zu verursachen?«, mahnte Jette.
    Der griente. »Nee. Weißt doch, dass die Weinfritzen
auch immer so ‘n spitzes Muul machen und tüchtig ein wegschmatzen tun. Das soll
heißen, dass’s schmeckt.« Er streckte seinen Arm in Richtung der Tochter aus
und machte eine Lockbewegung mit dem Zeigefinger. »Muhle muhle, mein Mäuschen.
Bist du Papis Schieterbüx?« Dann wurde er abgelenkt. Ein Fahrzeug näherte sich langsam auf der kopfsteingepflasterten Zufahrt von der Hauptstraße, die
oberhalb der Schlei entlangführte.
    »Kennst die?«, fragte er seine Frau.
    Die schüttelte den Kopf.
    »Wer will ‘n was von uns? Sind sicher wieder so ‘ne
Versicherungsheinis. Die soll’n mich bloß an Land lassen.«
    Der dunkelblaue Audi A6 mit dem Kennzeichen » HG « fuhr eine Kurve und hielt direkt vor
dem Eingang. Dabei stießen die Vorderräder fast an den kleinen Bauerngarten.
Zwei Männer entstiegen dem Wagen. Der Fahrer war groß und schlaksig. Sein
schmales Gesicht mit der imposanten Hakennase und die modisch kurz geschorenen
Haare verliehen ihm ein raubvogelähnliches Aussehen. Er trug einen
dunkelbraunen Anzug mit einem roséfarbenen Hemd. Aus dem Beifahrersitz quälte sich
ein klein gewachsener rundlicher

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