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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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abstellen. Ich glaube, er
will es auch nicht. Er macht keinen Hehl daraus, dass er stolz ist, es als
einer von ›drüben‹ geschafft zu haben. Aber mit dem Sächsischen, da irren Sie
sich. Er stammt aus Thüringen.«
    »Und er ist mit seinen Eltern als Kind in den Westen
gekommen?«
    »Nein, so nicht. Er hat noch in der DDR mit dem Studium angefangen und ist
sehr schnell nach der Maueröffnung in den Westen rüber. Ich meine, nach Bochum.
Mehr weiß ich nicht. Wenn Sie mich entschuldigen würden.« Sie drehte sich
wieder zu ihrem Bildschirm um und konzentrierte sich auf ihre Arbeit.
    Es dauerte noch fünf Minuten, bis Grimm die
Verbindungstür öffnete und Lüder wieder in sein Büro bat.
    »Entschuldigung, aber es war eine wichtige Sache, die
es zu klären galt«, erklärte er. »Wo waren wir stehen geblieben?« Er fasste
sich an den Haaransatz. »Ach, ja, richtig. Nehmen Sie Tschernobyl. Aus der
grauen Theorie der Atomgefahr ist unbestreitbar Wirklichkeit geworden. Aber die
Gefahr macht doch nicht an den Landesgrenzen halt, wenn die Nachbarn ringsherum
mit Kernkraftwerken hochrüsten. Die Liberalisierung des Strommarktes, vor der
wir stets verantwortungsbewusst gewarnt haben, führt vermehrt Atomstrom nach
Deutschland, was bedeutet, dass hinter den Grenzen aufgerüstet wird, ohne dass
wir den gleichen Einfluss wie auf die relativ sichere deutsche Technik nehmen
können. Deutsche Sicherheitsstandards werden eben nicht vom Ausland erfüllt.
Außerdem koppeln wir uns vom Energiemarkt ab und machen unsere Wirtschaft noch
abhängiger, wie beim Gas und Öl. Wir warnen vor den Gefahren der Globalisierung
und geben ein wichtiges, wenn nicht das bedeutsamste Gebiet, nämlich die
Energie, aus der Hand.«
    »Und deshalb sollen in Deutschland neue Atomkraftwerke
gebaut werden?«
    »Das ist eine Frage des langfristigen Überlebens. Es
besteht eine hohe Abhängigkeit von ausländischen Gasimporten aus Ländern wie
Russland oder Algerien. Deshalb gibt es sehr vertrauliche Überlegungen, nicht
nur die Laufzeit der AKW s zu
verlängern, sondern auch neue zu bauen.«
    »Und da engagiert sich die Deutsche Energie Union an
vorderster Front?«
    »Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, aber mit dem
gebotenen Maß an Verantwortung gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung.
Christian Wulff hat längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke ins Spiel
gebracht, während der Berliner Koalitionspartner sagt, dass Verträge
eingehalten werden müssen. Besonders der Umweltminister zeigt sich als
entschlossener Gegner, weil die Atomenergie seiner Meinung nach zu hohe Risiken
berge.«
    »Wie konkret sind die Planungen für Schleswig
eigentlich?«
    Grimm zuckte mit den Schultern. »Es ist heutzutage
schwierig, vernünftige und notwendige Projekte durchzusetzen. Wussten Sie, dass
rund ein Drittel der Kosten für eine neue Autobahn für die Planung und die im
Vorfeld geführten Verfahren zu Einsprüchen von Gegnern der gesunden
Fortentwicklung aufgewendet werden müssen? Sie können sich vorstellen, dass der
Widerstand bei einem Atomkraftwerk ungleich heftiger ist. Und jeder, der
dagegen protestiert, geht abends heim und verbraucht wie selbstverständlich
Strom. Kohle und Braunkohle verursachen CO 2 -Ausstoß
und tragen zur Klimaveränderung bei, gegen die sich die gleichen Demonstranten
auch wenden. Das begreifen die Menschen nicht. Deshalb muss man ihnen mit
anderen Mitteln die ›Zukunft‹ nahebringen, sie zur Not sogar dazu zwingen.«
    »Und das geschieht gegenwärtig an der Schlei.«
    Grimm sah Lüder irritiert an. »Ich fürchte, ich habe
Sie jetzt nicht verstanden.«
    »Sind Sie der Auftraggeber für die Wirtschaftskanzlei
Goldstein Latham van Scholven?«
    »Wer ist das?«
    »Dann behaupten Sie sicher auch, Dr. Dr. Buurhove
nicht zu kennen.«
    Grimm schüttelte den Kopf. »Der Name sagt mir nichts.«
    »Und Willi Kwiatkowski?«
    »Auch nicht.«
    Lüder musterte Reiner Grimm. Der Mann war sicher ein
erfahrener und in Verhandlungen gestählter knallharter Vertreter seiner
Interessen. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass Lüder die Lüge erkannte.
    »Zum Schluss noch eine Frage aus persönlicher Neugier.
Ihr Dialekt – Sächsisch ist das nicht.«
    Grimm zeigte zwei Reihen tadelloser Zähne, als er
schmunzelte.
    »Nein. Ich komme aus Thüringen.«
    »Interessant. Woher dort?«
    »Das kennen Sie nicht. Aus einer Kleinstadt unweit von
Erfurt.«
    »Und wie heißt die?«
    »Kölleda. Der Ort liegt an der deutschen Bier-

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