Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
schwer, wie sie manchmal zu ertragen war, so sehr
fehlte sie ihm. Er müsste in seinem Leben vermutlich einiges ändern, wenn er eine
zweite Chance bei ihr bekommen würde. Nur was? Er musste herausbekommen, was Frauen
wie Jenny denken.
Die freundliche
Bedienung lenkte ihn kurzfristig ab.
»Nichts
gegessen? Herr Stuhr, Sie dürfen nicht immer nur Ihren Gedanken nachhängen. Gehen
Sie doch einmal an unser leckeres Frühstücksbuffet.«
Der ungnädige
Blick von Stuhr lehrte sie, sich auf ihre Dienstleistungsfunktion zurückzuziehen.
»Soll ich das Kaffeegeschirr abräumen?«
Stuhrs Entscheidung
stand fest. Er würde in seiner Strandbuchhandlung einen dieser bunten Frauenromane
erstehen, die der selbstbewussten Frau eine lebenswerte Zukunft versprachen – selbstverständlich
ohne Mann.
Die Bedienung
wich noch nicht von der Stelle. »Kann das weg?«
Stuhr schüttelte
gedankenverloren den Kopf, ergriff die Sonntagszeitung und verließ dankend den Frühstücksraum.
Gegen den Strom der Strandgänger gelangte er zur Buchhandlung und holte tief Luft,
bevor er den Laden betrat. Es fiel ihm schwer, sich an das Regal der Frauenromane
mit den farbenfrohen Buchumschlägen heranzutasten, ohne von den Verkaufskräften
bemerkt zu werden. Aber es musste sein.
Er spähte
nach anderen Kunden, die ihn beobachten könnten, aber die waren alle selbst mit
dem Stöbern beschäftigt. So konzentrierte er sich auf seine Suche. Zeit für eine
inhaltliche Recherche war nicht gegeben, er musste nach pastellfarbenen Buchrücken
und einschlägigen Titeln gehen.
›Endlich
frei‹. Nein, dieser Buchtitel auf dem hellgelben Buchrücken entsprach nicht dem,
was er sich von Jenny erwartete.
Vielleicht
eher das Buch nebenan. ›Mit 50 hat man noch Träume.‹
Unbemerkt
zog er das Buch aus dem Regal. Das hellblaue Cover mit den hochhackigen roten Pumps
würde Jenny sicherlich ansprechen, wenngleich der Untertitel etwas martialisch klang.
›Vom Blitzschlag zum Befreiungsschlag.‹
»Das wird
Ihrer Frau sicher gefallen.« Die aus dem Nichts zur Beratung herangeschwebte Verkäuferin
bemerkte nicht, dass sich Stuhr erschrocken hatte. Sie rasselte ihre Verkaufsargumente
herunter. »Das Büchlein haben wir schon hundertfach verkauft. Es ist diesen Sommer
der Renner an der Nordseeküste. Nur 11,80, aber nicht ganz ohne.«
Stuhr zog
die Augenbrauen hoch. »Nicht ganz ohne?«
»Ja, eine
Bekannte von mir hat es über Ostern gelesen. Zu Pfingsten ist sie zu Hause ausgezogen
und jetzt amüsiert sie sich in den Bars in Sankt Peter. Ihr Mann darf löhnen.«
Stuhr begann
zu frösteln. Er versuchte den Wahrheitsgehalt einzuschätzen, aber die Verkäuferin
wirkte glaubhaft. Das schien genau das richtige Buch für Frauenversteher zu sein.
»Ich nehme es.«
»Einpacken,
als Geschenk?«, fragte die Verkäuferin fast automatisch nach, bevor sie sich auf
den Weg zur Kasse machte.
»Ja, ja,
als Geschenk, natürlich«, stotterte Stuhr erleichtert und zahlte. Er bedankte sich
für die gute Beratung und verließ freundlich grüßend den Laden.
Auf dem
Vorplatz zur Seebrücke steuerte er den Papierkorb an, der am weitesten vom nächsten
Badegast entfernt stand. Er musste das Geschenkband mit ein wenig Gewalt vom Buch
ziehen. Unbeobachtet entsorgte er das Umschlagpapier und verbarg das Buch in seiner
Sonntagszeitung.
Dann pilgerte
er, wie immer bei schönem Wetter, über die neue Seebrücke zu den Pfahlbauten. Die
Zeitung mit dem Buch hielt er fest unter dem linken Ellenbogen eingeklemmt, damit
es nicht entdeckt werden konnte. Er spähte in die Taschen der anderen Strandgäste
und entdeckte so manche Lektüre, aber ein weiteres Buch mit einem hellblauen Cover
konnte er nicht ausmachen.
Ein seltsames
Gefühl von Einsamkeit überkam ihn, wie er über die Seebrücke schlenderte, denn hier
hatte er Jenny kennengelernt. Wie es ihr wohl ging? Wer weiß, in welchen Armen sie
sich jetzt herumtrieb?
Oder trauerte
sie um ihn? Zumindest ein wenig?
Stuhr schüttelte
die trüben Gedanken ab. Bevor er den Sand betrat, zog er die Schuhe aus. Tiefe Radspuren
unweit der Arche Noah ließen darauf schließen, dass Schneiders verunglücktes Flugzeug
abtransportiert worden sein musste.
Nein, Schneider
oder Verena, denen musste er nicht begegnen. Deswegen trieb es Stuhr heute zur Windsurfstation
an der Badestelle Ording. Dieser Bau wurde zwar nur von mannshohen Stelzen getragen,
aber er verfügte über eine große Terrasse, die einen prächtigen Ausblick auf das
Strandleben vor
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