Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
am kommenden Wochenende sein Umzug bevor, und er hatte noch nichts
geregelt.
Der Himmel
über Sankt Peter hielt sich bedeckt, und so hatte er nach dem Frühstück Gelegenheit,
die anstehenden Dinge aus seinem Hotelzimmer zu regeln. Er holte sich eine Dose
Cola aus dem Eisschrank und setzte sich an den kleinen Couchtisch.
Zunächst
galt es, Kommissar Hansens Drängen nachzugeben und diesen Meyer-Riemenscheidt ans
Telefon zu bekommen. Stuhr nestelte sein Handy aus der Hosentasche und rief die
Vermittlung der Landesregierung an, die ihn durchstellte.
»Wirtschaftsministerium.
Mein Name ist Meyer-Riemenscheidt«, meldete sich eine dienstbeflissene Stimme am
Telefon. Dabei wusste Stuhr noch aus früherer Zeit, dass sich in Meyer-Riemenscheidts
verräuchertem Büro die Aktenberge bis zur Decke türmten. Nach eingehender Prüfung,
hieß es dann Monate später in seinen ablehnenden Antwortschreiben. Als wenn Zigarilloqualm
Akten prüfen könnte.
Stuhr gab
sich freundlich. »Moin, Herr Kollege. Helge Stuhr hier, wissen Sie noch? Ehemals
Staatskanzlei, jetzt außer Dienst. Haben Sie vielleicht einen Moment Zeit für mich?«
Erfreut
meldete sich die Stimme eine halbe Oktave höher wieder: »He, Stuhr, Sie Glückspilz.
Vorzeitige Pension, Haupttreffer. Sie haben es geschafft, stimmt doch, oder? Was
kann ich für Sie tun? Dienstlich kann es ja kaum sein.«
Es war ungewöhnlich,
dass Meyer-Riemenscheidt sich für seine Pensionierung interessierte. Der musste
mindestens noch 25 Jahre bis zur Pension vor sich haben. Stuhr wechselte das Thema.
»Richtig,
Herr Kollege. Es ist dienstprivat, sozusagen. Wie damals, als mein früherer Mitarbeiter
Dreesen mehrfach hilfreich für Sie tätig sein konnte. Sie erinnern sich?«
Das kurze
Brummen genügte Stuhr als Zustimmung. »Ich stecke an einer Frage fest, die mich
beschäftigt. Kollege Dreesen meinte, Sie könnten mir helfen.«
Meyer-Riemenscheidt
zeigte sich zutraulich: »Warum sollte ich Ihnen denn nicht helfen können? Worum
geht es?«
Stuhr fiel
mit der Tür ins Haus: »Um die Nordstrom AG in Rendsburg, verehrter Kollege. Laufen
bei Ihnen irgendwelche Anträge wegen Übernahme?«
»Nordstrom,
Nordstrom, Nordstrom. Da muss ich einmal nachdenken. Irgendetwas war da. Jetzt weiß
ich es. Warten Sie, es muss auf dem rechten Stapel liegen. Augenblick, bitte dranbleiben.«
Stuhr ging zum Kühlschrank und schnappte
sich eine zweite Coladose. Die hatte er fast ausgetrunken, bevor sich Meyer-Riemenscheidt
wieder meldete. »Lieber Kollege, ich habe den Vorgang gefunden. Er lag auf der Heizung,
da packe ich immer die Sachen hin, die wirklich heikel sind. Aber hier ist die Akte.
Es ist ein Antrag der Fairstrom GmbH aus Hannover auf Übernahme der Rendsburger
Nordstrom AG. Er stammt noch aus dem letzten Jahr. Ich soll für den Staatssekretär
einen Verfahrensvorschlag erarbeiten, aber das dauert seine Zeit.«
Das verwunderte
Stuhr bei der Lethargie von Meyer-Riemenscheidt nicht.
Aber der
schien sich keinerlei Schuld bewusst zu sein, denn er plapperte munter drauflos.
»Jetzt fällt mir der gesamte Vorgang wieder ein. Sehr komplex. Viele kommunale Stadtwerke
bilden Verbünde, um sich besser gegen die großen multinationalen Energiekonzerne
behaupten zu können. Gleichzeitig drängen die russischen Energieerzeuger auf den
europäischen Markt und beteiligen sich an Stadtwerken oder Verbünden. Das allerdings
muss vorher bei uns angezeigt und genehmigt werden. Wenn wir Bedenken haben, dann
setzen wir uns auf dem kurzen Dienstweg mit den Inhabern der Stadtwerke zusammen.
Das sind in Schleswig-Holstein zum Glück noch oft die Städte selbst.«
Stuhr versuchte,
den Entscheidungsstand aus Meyer-Riemenscheidt herauszukitzeln. »Und was werden
Sie letztendlich empfehlen?«
Lange Zeit
war nichts außer schwerem Atmen am anderen Ende der Leitung zu hören, bis ein heftiges
Aufstöhnen die Stille beendete. »Wenn ich das nur wüsste. Das macht es ja so schwer,
Stuhr. Ich bin schließlich kein Detektiv. Nach Aktenlage spricht nichts gegen die
Übernahme der Nordstrom AG durch die Fairstrom GmbH. Aber der Hauptgesellschafter
dieser Firma ist die UniProm aus Nowgorod, und das ist immerhin der zweitgrößte
russische Gasproduzent. Wenn die erst einmal die Mehrheit bei der Nordstrom AG haben,
dann ist der gesamte Kreis Rendsburg-Eckernförde von den Blähungen eines russischen
Oligopolisten abhängig. Damit wird das Ende des Abendlandes eingeläutet, zumindest
für Rendsburg.«
Das hielt
Stuhr
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