Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
liebte. Aber dafür bekam er sein Gehalt
nicht. Er musste den Laden auf Trab halten. Immerhin wollten fast 80.000 Menschen
in der Stadt mit Wasser und Energie versorgt werden. 35 andere Gemeinden wurden
zusätzlich außerhalb des Stadtgebiets mit Strom beliefert, viele davon auch mit
Gas und Wasser. Aus den ehemaligen Neumünsteraner Baltischen Licht- und Wasserwerken
des 19. Jahrhunderts war ein moderner Dienstleistungsbetrieb entstanden, der von
ihm optimal straff geführt wurde. Alles Wichtige ging über seinen Schreibtisch.
Er regierte
mit eiserner Hand. Allein schon, damit niemand Einblick in die Freiräume gewinnen
konnte, die seinen Posten ein wenig erträglicher machten. Denn es wurde für seine
Stadtwerke als regionales Energieversorgungsunternehmen immer schwieriger, die Selbstständigkeit
zu bewahren. Vielen benachbarten Stadtwerken drohte die Übernahme durch einen der
international agierenden Energieriesen, und selbst bei ihm in Neumünster war unlängst
die Hansestream mit 24,9 Prozent Beteiligung eingestiegen. Noch hatte er das Sagen,
aber mit einer Aktie mehr von denen hätte er eine echte Laus im Pelz.
So spendete
er immer wieder großzügig für die unter chronischer Geldnot leidende Stadt Neumünster,
damit diese nicht das Interesse an ihrer Mehrheitsbeteiligung verlor.
Mit seiner
ersten Frau stand Arnold Bergfeld wegen der strittigen Abfindung nach der Scheidung
immer noch vor Gericht. Geld wollte sie von ihm. Richtig viel. Dabei hätte sie arbeiten
gehen können. So wie er. Das hatte sie aber schon die ganze Ehe über nicht getan.
Er würde es ihr noch zeigen.
Seine jetzige
Frau Katja war erheblich jünger und ein wenig größer als er. Er zeigte sich gern
mit ihr, und um seinen kleinen Sohn kümmerte sie sich rührend. Allerdings war sie
nach der Geburt ein wenig aus den Fugen geraten. Er bedauerte das, denn jetzt wurde
jeder Sexualakt ein Vabanquespiel. Er hatte ein wenig die Lust an ihr verloren.
Mit Anja
dagegen, dieser kleinen schlanken Brünetten aus der Personalverwaltung, hatte er
diese Probleme nicht, wenn er sie in ihrer kleinen Wohnung im Staatsforst besuchte.
Sie war ledig geblieben und immer für ihn da, wenn er es wollte. Gut, sie war schon
älter, knapp über 40, aber sie hatte immer noch eine ordentliche Figur. Anja hatte
nie Kinder gehabt, deswegen konnte sie ihm auch die weitaus bessere Biometrie bieten.
Der Staatsforst
von Neumünster hieß Iloo und lag außerhalb des Stadtgebietes. Die Neumünsteraner
Stadtwerke besaßen das Recht, dort ein kleines Umspannwerk zu betreiben, aber auch
die Pflicht, die Waldwege zu beleuchten. An einem Bach wurde sogar eine alte Wassermühle
betrieben. Das Rad wurde zwar noch vom Wasser gedreht, aber Energie produzierte
sie schon lange nicht mehr. Es war ein romantischer Ort, den er gern für andere
Zwecke ausgenutzt hätte. Aber er hatte auf seinen guten Ruf zu achten.
Er stellte
seinen Dienstwagen nahe der Wassermühle ab und betrachtete ihn ärgerlich. Ein richtiger
Chef fährt einen dicken schwarzen Mercedes und keinen blauen Audi A4, befand er.
Kopfschüttelnd machte er sich zu Fuß auf den kurzen Weg zu Anja.
Sie würde
sich über seinen Besuch freuen. Sie hatte sonst doch nichts. Es gab zwar Gerüchte,
die er auf der letzten Betriebsfeier aufgeschnappt hatte, dass sie angeblich unglücklich
verliebt sein sollte in Fries, den Leiter vom Werkschutz. Der soll sie angeblich
unlängst nach einer kurzen Affäre verlassen haben, um seine Familie zu retten. Bergfeld
gab nicht viel auf das Gerücht. Gewäsch! So etwas wie ihn würde Anja sowieso nie
wieder bekommen.
Er stand jetzt vor dem Haus und
schaute sich um, aber es war niemand zu sehen. Er klingelte an ihrer Haustür. Zweimal
kurz, einmal lang. Das verabredete Zeichen. Der Summer brummte. Eilig hastete er
die Stufen hoch, denn er hatte Druck.
Sie trat
ihm in der Wohnungstür völlig aufgelöst entgegen. »Schön, dass du endlich da bist.
Arnie, du bist in Gefahr! Nimm mich in die Arme!« Sie warf sich an ihn.
Bergfeld
ärgerte sich darüber. Manchmal war sie eben eine hysterische Ziege. Sie hatte bestimmt
durch die Gerüchteküche der Hauptverwaltung von den Sicherheitsmaßnahmen gehört,
die von der Polizei seit gestern eingeführt wurden, weil angeblich am Wochenende
ein Anschlag auf die Stadtwerke erfolgen könnte. So ein Quatsch. Zudem war ein Direktor
bisher noch nicht das Ziel eines Anschlags in der von der Presse marktschreierisch
veröffentlichten Mordserie der letzten
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