Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
las, musste er Hansen
auch nicht auf die Nase binden. »Die üblichen Schmierereien, Hansen. Seid ihr weitergekommen?«
»Nein, wir
können die Rumänin nicht auftreiben. Wann bist du wieder in Kiel? Du könntest mir
helfen.«
Helfen?
Das fehlte Stuhr gerade noch. Schließlich hatte er noch bis Freitag Urlaub, und
am Samstag stand sein Umzug bevor. Weg vom alten Kieler Wasserturm in eine Wohnung,
in der er wieder wie früher in der Staatskanzlei auf den Kieler Hafen sehen konnte.
Allerdings hatte er noch keine großen Vorbereitungen getroffen. Er lenkte Hansen
ab. »Ich weiß noch nicht. Ansonsten Neuigkeiten bei euch in Kiel?«
»Nö. Bis
auf das Geblöke von Magnussen im Direktionszimmer ist es entspannt.« Hansen verabschiedete
sich.
Unwillig
legte Stuhr den Frauenroman beiseite und griff zum Käseblatt, wie sie früher im
Dienst die Kieler Rundschau genannt hatten. Nach dem, was ihm Kommissar Hansen von
der Pressekonferenz berichtet hatte, wunderte ihn die Titelzeile nicht: ›Todesfalle
Neumünster?‹
Im nachfolgenden,
mäßig recherchierten Artikel wurde das Bild eines psychopathischen Serienmörders
entworfen, der offensichtlich nach einem festen Plan systematisch Mitarbeiter von
schleswig-holsteinischen Energiebetrieben umbrachte. Jack the Ripper ließ grüßen.
Die Wut des Schreiberlings richtete sich gegen die großen Energieversorger, denn
er zog einen großen Bogen von dem Betrieb der restlichen Atomkraftwerke in Deutschland
bis zum rücksichtslosen Kohlendioxidausstoß der veralteten Kohlekraftwerke, die
geradezu nach einem Endlager unter der Nordsee schrien.
Stuhr seufzte.
Wenn die Welt so einfach zu erklären wäre. Er blätterte gelangweilt weiter, denn
die noch fieseren Schurken findet man meistens im Wirtschaftsteil der Zeitung. So
auch heute, selbst in der Kieler Rundschau. Ein längerer, gut aufgemachter Hintergrundbericht
über den russischen Gas-Oligarchen Alexander Ostrowski fesselte ihn.
In der Zeit
der großen Wirtschaftskrise konnten in Russland keine Löhne mehr gezahlt werden.
Die Mitarbeiter in den Firmen bekamen stattdessen für sie zu damaliger Zeit wertlose
Unternehmensanteile. Jeden Morgen wachten Menschen in Russland auf und waren unsicher,
welchen Wert die Anteile ihrer Firma noch haben könnten.
So begann
die Privatisierung einer der größten Volkswirtschaften der Welt. Aufkäufer kamen
mit großen gepanzerten Limousinen und Kofferräumen voll Geld. Ganze Familien zerbrachen
an der Frage, für welchen Preis man verkaufen sollte. So kaufte auch die RusskiGaz,
die Firma Ostrowskis, nach und nach ein ganzes Konglomerat von Unternehmen zusammen.
Als Erstes wurden die roten Direktoren mit mehr oder weniger Gewalt abgesetzt. Dann
ließ der Oligarch die Betriebe nach marktwirtschaftlichen Prinzipien führen. Ein
absolut schillernder Typ. Bestimmt hatte der eine von diesen Mega-Yachten, die manchmal
in Kiel gebaut wurden.
Stuhr blätterte
weiter, aber die Wettervorhersage sah sich Stuhr schon lange nicht mehr an, die
stimmte selten. Er legte die Rundschau neben sich und sah versonnen auf das Titelblatt.
Mist, es war schon Dienstag. Die Zeit verging auf dem Sand vor Sankt Peter wie im
Fluge, auch wenn es von Jenny keinerlei Lebenszeichen mehr gab.
Seinen Freund
Olli aus Hamburg würde er gleich morgen früh anrufen und fragen, ob er beim Umzug
am Samstag helfen könnte. Er würde ihm ganz beiläufig von dem neuen Fall berichten.
Der würde schon Blut lecken, da war er sich sicher. Zusammen bildeten sie ein gutes
Team, nicht nur für den Umzug.
Aber zumindest
heute noch würde er sich anderen Dingen widmen, schließlich war Urlaub angesagt.
Seine Hand glitt wieder zum hellblauen Frauenroman. Die Powerfrau lernte trotz ihrer
familiären Hemmnisse zunächst einen 15 Jahre jüngeren Werbetexter kennen, der nicht
nur ihr Talent erkannte, sondern ihr auch den Hof machte.
So ein Quatsch.
Stuhr legte das Buch beiseite. Welche erfahrene Frau würde sich schon für einen
großen Jungen entscheiden und den treuen Versorger in die Wüste schicken?
Stuhr wurde
nachdenklich, denn schließlich hatte ihn Jenny auch verlassen. Ach, Jenny. Nach
der Trennung von ihr hatte er die Nase voll gehabt von jeglicher fester Beziehung.
Jetzt ging es ihm zum ersten Mal nach langer Zeit wieder gut. Warum sollte er gleich
wieder am nächsten Haken zappeln oder sich wegen Jenny verrückt machen?
Sollte er
das Buch überhaupt noch weiterlesen? Vermutlich hatte die Autorin während des Schreibens
beim
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