Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
nächsten Rastplatz anzusteuern.
Er zog sein
Telefon und rief die Notrufnummer an, die ihm bei der letzten Wartung in den Holm
seines Fahrzeugs geklebt worden war. Eine beruhigende weibliche Stimme sagte schnelle
Hilfe zu.
Mit zunehmender
Wartedauer schielte Stuhr immer häufiger auf die Bierkästen auf der Rückbank. Er
hielt sich aber zurück, denn mit einer Bierfahne konnte er seinen Helfern schlecht
entgegentreten. Die Warterei geriet eintönig.
Nach zwei Stunden erschien ein freundlicher
Helfer. Er fand den Fehler schnell und fluchte. Zur Erläuterung murmelte er etwas
von defekter Elektrik. Stuhr fragte beunruhigt nach den Konsequenzen.
»Es ist
Wochenende, Herr Stuhr, da ist nichts zu machen. Sie müssen den Wagen notgedrungen
hier stehen lassen. Aber keine Angst, Sie bekommen von uns einen Leihwagen gestellt.
Ich fahre sie dorthin.«
Stuhr schloss
seinen Wagen ab. Unverzüglich verließen sie den Rastplatz. Stuhr schloss die Augen
kurz, um sich zu entspannen. Im nächsten Augenblick wurde er von einer heftigen
Seitwärtsbewegung erfasst. Sein Helfer verließ die Autobahn wieder und lenkte das
Fahrzeug über die Autobahnbrücke und fädelte auf der anderen Seite Richtung Hamburg
ein.
Stuhr fragte
vorsichtig nach. »Wir wollten doch einen Leihwagen besorgen, oder?«
»Ja«, bestätigte
sein Helfer freundlich. »Aber am Wochenende ist Kiel die reinste Provinz. Alle in
Frage kommenden Ersatzwagen sind ausgeliehen. Der nächste Vertragshändler von uns
ist in Hamburg-Moorfleet.«
Zweimal
durch den Elbtunnel, durchschoss es Stuhr. Das konnte nicht gut gehen.
Es ging
auch nicht gut, zumal Bayern München an diesem Samstag beim Hamburger SV gastierte.
So trafen sie bereits in Quickborn auf das Stauende der Besucher. Zu allem Überfluss
begann es zu nieseln. Die Regenfront hatte sie erreicht.
Erst zwei
Stunden später erreichten sie Moorfleet. Mehrfach hatte er versucht, Olli zu erreichen.
Aber der ging nicht an sein Handy. Stuhr konnte nach wenigen Formalitäten einen
nagelneuen Passat als Ersatz für seinen schäbigen Golf in Richtung Kiel bewegen.
Aber nicht
lange, denn wie immer hatte sich auch von Süden her vor den Elbtunnelröhren ein
gewaltiger Stau gebildet. Die aufgedrehte Klimaanlage vertrieb ein wenig Stuhrs
Ärger über das ungemütliche Wetter vor der Windschutzscheibe, und im Radio konnte
er das Ende der Bundesligaspiele verfolgen.
Zwei Stunden
später lud er die Bierkästen aus seinem defekten Wagen um. Dann ging es endlich
weiter zu seiner alten Wohnung.
Als er eine
Viertelstunde später in seine Straße einbog, bot sich ihm ein Bild des Grauens.
Vor seiner Haustür stand auf dem Bürgersteig sein komplettes Wohnzimmer, durchnässt
vom immer heftiger werdenden Regen. Als er sich der Szenerie näherte, bemerkte er
eine schlafende Gestalt auf seiner durchtränkten weißen Leinencouch. Es war Olli.
Er hatte als Letzter seiner Mohikaner durchgehalten. Ein wahrer Freund.
Schöner
Mist, dachte sich Stuhr, als er sich umblickte. Aber warum sollte er sich aufregen,
er hatte ja selbst Schuld. Er ging zurück zum Passat, fischte zwei Bierflaschen
aus einem der Kästen und öffnete sie mit dem Autoschlüssel. Er weckte Olli, der
nur schwer mit seinen durchnässten Klamotten hochkam und ihn verschreckt anblinzelte.
Stuhr prostete
ihm freundlich zu: »Dumm gelaufen heute. Tut mir leid. Ich hatte eine Autopanne.«
Ungläubig
nahm Olli das Bier entgegen und prostete zurück.
»Danke,
dass du die Stellung gehalten hast, Olli«.
Eine hereinkommende
SMS lenkte Stuhr ab. ›Ich vermisse dich, dJ.‹ Erstaunlich, diese Nachricht. Und
keinerlei Vorwürfe.
Stuhr schaltete
das Handy aus und steckte es ein. Vielleicht war es besser, erst das Ende des Frauenromans
abzuwarten und hinterher zu entscheiden, was er zurückschreiben könnte.
Nach diesem langen verpatzten Tag
war sowieso alles egal, und hier war nichts mehr zu retten. Sie schnappten sich
den Kaffeeautomaten und zwei Campingstühle und ließen das durchnässte Mobiliar vor
der Haustür stehen.
In der Wohnung
legte sich Stuhr entspannt in seinem leer geräumten ehemaligen Schlafzimmer auf
dem Veloursteppich nieder, während Olli die Nacht im Wohnzimmer ein wenig spartanischer
auf dem Birkenholzlaminat verbringen musste.
Am Ende
dieses aufregenden Tages gewann bei Stuhr das Bedürfnis nach Nachtruhe die Überhand
gegen alle strategischen Überlegungen, wie man die anstehenden Aufgaben des nächsten
Tages bewältigen könnte.
Kleine
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