Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
sie den tristen Industriehof der Stadtwerke Neumünster
erreichten.
Der Kommissar
blieb im Auto sitzen, denn Stuhr schien noch etwas auf der Seele zu liegen. »Stuhr,
was ist denn los?«
Stuhr machte
eine abwehrende Handbewegung. »Ich werde die Befürchtung nicht los, dass Meyer-Riemenscheidt
vielleicht wegen meiner Nachfrage so elendig verrecken musste. Ohne meinen Anruf
hätte er die Akten vielleicht verstauben lassen.«
Kommissar
Hansen war kein Mensch großer Gefühle. Aber wenn das stimmte, was Stuhr vermutete,
dann schien tatsächlich ein großes Ding am Kochen zu sein.
Jedem das Seine
Direktor Bergfeld blickte selbstzufrieden
auf die schlafende junge Rumänin neben sich im Bett. Sie hatte eine weiche und ebenmäßige
helle Haut. Ihre im Verhältnis zu ihrem zierlichen Körper großen Brüste hoben und
senkten sich in gleichmäßigem Rhythmus. Wahrscheinlich träumte sie von Schuhen und
Kleidern wie alle Frauen, vermutete er. So ein schönes junges Ding hatte er schon
lange nicht mehr zur Strecke gebracht.
Auch heute
Morgen war er gleich in ihr gekommen, obwohl ihn ein heftiger Kopfschmerz plagte.
Dieses junge Wesen hatte ihm die Gefühle zurückgegeben, die er bei anderen Frauen
mit der Zeit verloren hatte. Daran hätte sich Anja ein Beispiel nehmen sollen.
Obwohl er
vom gestrigen Abend nicht mehr viel wusste, hatte er ein gutes Gefühl. Sie hatten
sich alle gut verstanden, und er hatte sich tatsächlich in die kleine Rumänin verliebt.
Mit dem
bisherigen Verlauf der Gespräche war er zufrieden, sodass er genau genommen keine
echte Wahl mehr hatte. Entweder würde er Sonntagsdirektor oberhalb der operativen
Ebene bei den Russen mit gutem Gehalt sein oder er bliebe Frühstücksdirektor in
seinem Betrieb nach der Fusion mit anderen Stadtwerken im Norden.
Er betrachtete
seine goldene Uhr, ein Geschenk für 25 Jahre Placken bei den Stadtwerken. Es war
zwar ein Markenfabrikat, aber für ein Abonnement bei dem Neumünsteraner Anzeiger
bekam man ein ähnliches Exemplar als Prämie. So konnte ihm die Wahl nicht schwerfallen.
Nach all den Jahren harter Arbeit für die Stadtwerke war er jetzt dran.
Sein Mobiltelefon
klingelte. Die Nummer kannte er nicht. Es war noch keine zehn Uhr. Die junge Frau
blinzelte etwas ungnädig aus ihren verschlafenen Augen, als sich der Direktor meldete.
Es war der
Hauptkommissar aus Kiel, der am Freitag mit seinem Werkschutz alle Schutzvorkehrungen
abgesprochen hatte. Bergfeld wurde darüber informiert, dass ein Beamter der Landesregierung
in der alten Wassermühle im Staatsforst tot aufgefunden worden war.
Der Direktor
war froh, als das kurze Gespräch beendet war. Natürlich war es erschreckend, dass
die alte Wassermühle im Iloo der Tatort war. Gleich neben Anja. Umso wichtiger,
dass sie ihm wegen ihr nicht auf die Schliche kämen.
Der Tote
interessierte den Direktor herzlich wenig. Hauptsache, der Alarm bei den Stadtwerken
wurde bald aufgehoben. Nachdenklich betrachtete er die Vorhänge, die nur wenig fahles
Licht durchließen. Er konnte das leise Prasseln des Regens auf seinem Balkon ausmachen.
Das Sommerwetter legte eine Pause ein.
Er schob
das Telefon auf den Nachttisch zurück. Seine aufkommende Unruhe trieb ihn unverzüglich
ins Badezimmer. Hier erledigte er zur Zeitersparnis beim Rasieren unter der Dusche
auch gleich sein kleines Geschäft. Die Jelena würde es schon nicht mitbekommen.
Er putzte sich gründlich die Zähne, damit er nicht den Russen mit einer Alkoholfahne
entgegentrat.
Wenn das
Geschäft heute glatt über die Bühne ging, dann würde er sich noch einmal genüsslich
am Nachmittag über Jelena hermachen. Sie würde von ihm profitieren. Er zog sich
sorgfältig an und gab seinem schlafenden Engel einen Kuss, bevor er sich zum Gartenpavillon
hinunterbegab.
Die Russen
waren schon wieder bei ihrem Nationalgetränk und prosteten ihm fröhlich zu. Im Gegensatz
zu gestern dominierte ein großer Aluminiumkoffer den Verhandlungstisch. Daneben
lag ein in edles Leder gebundenes Schriftstück. Die Russen umarmten den kleinen
Direktor, als wenn er einer der Ihren wäre. Ihr Sprecher Dimitrij Denisow überreichte
ihm feierlich einen Wodka.
»Schön,
dass Sie wieder bei uns sind, lieber Arnold. Ich hoffe, Sie haben gut geruht. Das
ist nämlich ganz wichtig für das Wohlbefinden.«
Bergfeld
nickte und nahm dankend den Wodka entgegen. Er hätte besser frühstücken sollen,
schoss ihm durch den Kopf. Der Wodka würde ihn umhauen.
Die Russen
zogen ihre Köpfe in
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