Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
Erwachsenenspiele
Kommissar Hansen war mürbe. Er war
zurück in der Polizeidirektion und schaute nachdenklich aus seinem Bürofenster.
Der Regen prasselte heftig von Südwest gegen die Scheiben seines Büros. Der Sommer
weigerte sich standhaft, in Schleswig-Holstein zu verweilen. Auf dem Schreibtisch
wartete ein kleiner Stapel von Laufmappen auf ihn. Er verspürte allerdings wenig
Lust, sich darüber herzumachen.
Der Kollege
Fingerloos von der Spurensicherung enterte stürmisch das Büro. »Moin, Konrad. Es
gibt Neuigkeiten.«
Hansen ließ
sich nicht anmerken, dass ihm die Ansprache mit seinem Vornamen nach wie vor Unbehagen
bereitete. »Neuigkeiten?«
Sein Kollege
grinste breit. »Ich habe das Opfer durch die Datenbank laufen lassen. Meyer-Riemenscheidt
hat es mit jungen Männern getrieben.« Erwartungsvoll sah ihn Fingerloos an.
Hansen setzte
sich und musterte ihn verständnislos. »Ja und, was soll das? Das kann er meinetwegen
halten, wie er mag, solange er dabei keine Straftaten begangen hat.«
Nun setzte
sich Fingerloos auch und rückte näher. »Das ist richtig. Meyer-Riemenscheidt war
zwar kein Gangster, aber ein unbeschriebenes Blatt war er auch nicht. Es laufen
zwei Anzeigen gegen ihn wegen sexueller Nötigung. Von jungen Männern.«
»Minderjährig?«
Fingerloos
verneinte.
Jetzt wurde
Hansen ärgerlich. »Schluss mit unbewiesenen Verdächtigungen. Nichts Neues zum Fall?«
Fingerloos
kontrollierte seine Fingernägel, bevor er gedehnt antwortete. »Das gehört zum Fall,
Konrad. Die Anzeigen stammten von zwei jungen deutschstämmigen Russen, die gegen
Geld Auftragsarbeiten jeglicher Art unternehmen. Das ist nicht uninteressant, oder?«
Die Antwort
von Hansen fiel barsch aus. »Was soll das? Bin ich ein Hellseher?«
»Nein. Aber
du solltest prüfen, für wen die jungen Burschen Auftragsarbeiten angenommen haben.
Vielleicht befinden sich Energieunternehmen darunter.«
Das wäre
natürlich pikant, denn Meyer-Riemenscheidt bearbeitete in der Landesregierung alle
Anträge von denen. »Du meinst, es könnte sich um einen Auftragsmord handeln?«
Fingerloos
zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, du wirst die Mappen auf deinem Tisch
ja gelesen haben.«
Hansen grantelte
zurück. »Gelesen ja, aber nicht auswendig gelernt.«
»Na, dann
weißt du ja, was du zu tun hast. Ich habe meinen Job erledigt. Schönen Sonntag noch.«
Kommissar Hansen wartete ab, bis
Fingerloos den Raum verlassen hatte. Dann stürzte er sich auf die erste Mappe von
der Spurensicherung mit den Fotos der Reifenabdrücke, die von einem Audi A4 stammten,
Baujahr 2010. Es war eine besondere Testserie, deswegen konnten sie dem Automodell
eindeutig zugeordnet werden. Fingerloos und seine Leute hatten ganze Arbeit geleistet.
In der nächsten
Mappe lag ein Foto eines eleganten Paares Herrenschuhe, die zu den an der Wassermühle
gefundenen Schuhabdrücken passten. Daneben lag eine grüne Visitenkarte mit einer
goldenen Krone, die dem Hersteller der Schuhe zuzuordnen sein musste. ›Harai-Schuhe.
Beste ungarische Schuhe – Spezialanfertigung von handgearbeiteten Schuhen.‹ Auf
der Rückseite stand ein Name, der dem Kommissar nicht unbekannt war: Es war Direktor
Bergfeld von den Neumünsteraner Stadtwerken. Darunter stand die Notiz ›Stammkunde,
Schuhgröße 40‹.
Aus einem
Umschlag zog er die Fotos von dem zerquetschten Meyer-Riemenscheidt. Das Opfer war
hochauflösend aus allen Blickwinkeln abgelichtet worden. Die Autopsie hatte ergeben,
dass er tatsächlich bei lebendigem Leibe in das Kegelgetriebe gedrückt wurde. Sein
Todeskampf hatte vermutlich zehn lange Minuten gedauert. Kommissar Hansen erschauerte.
Der arme Kerl.
In diesem
Moment tiefen Mitgefühls klopfte es an seiner Tür. Ohne dass der Kommissar etwas
gesagt hätte, öffnete sich seine Zimmertür einen Spalt. Eine rote Laufmappe tanzte
auf der Tür wie eine Kasperlefigur. Das konnte nur Zeise sein, diese Nervensäge
von Büroleiter.
Richtig,
wenig später erschien sein Kopf hinter der Mappe, und seine breiten Lippen öffneten
sich grinsend, sodass sein Goldzahn hervorstach. »KoHa, auch immer im Dienst, was?«
Hansen ärgerte
sich nicht nur über den kumpelhaften Ton, sondern auch über diese verkürzte Verkrüppelung
seines Amtstitels mit seinem Nachnamen. So tat der Kommissar erstaunt. »Herr Zeise,
was macht ein Büroleiter an einem Sonntag in diesen heiligen Hallen? Sie müssen
sich doch für die nächste anstrengende Woche regenerieren.«
»Ich
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