Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
muss
bis morgen eine Kostenzusammenstellung für unseren Chef fertig haben. Erst die Arbeit
und dann das Vergnügen.«
Hansen konterte.
»Ich dachte immer, die Büroleitung sei das reinste Vergnügen für Sie.«
Das schien
Zeise persönlich zu nehmen, denn das breite Grinsen wich jetzt einem ernsthaften
Gesichtsausdruck. »Glauben Sie mir, KoHa, den ganzen Tag lang die Fehler der anderen
Kolleginnen und Kollegen zu identifizieren und korrigieren, das ist viel anstrengender,
als wie Sie sinnentfremdet in der Gegend herumzuschnüffeln.«
Große Freunde
würden sie in diesem Leben nicht mehr werden, das war sicher. Also griff der Kommissar
jetzt zu den kleinen Erwachsenenspielen. »Lieber Herr Zeise. Sagen Sie, haben Sie
soeben ein kleines Schattenspiel aufgeführt oder halten Sie etwa einen Vorgang für
mich in der Hand?«
Zeise hatte
keine andere Wahl, als ihm jetzt die Mappe zu reichen, mit der er die ganze Zeit
in der Luft gewedelt hatte. Das missfiel ihm sichtlich, und so suchte er nach anderen
Kampfschauplätzen.
»Klar, KoHa.
Die Mappe ist natürlich für Sie. Die Kollegen von der Spurensicherung haben interessante
Informationen ausgegraben. Der Chef ist mit der Truppe vom Kollegen Fingerloos ausgesprochen
zufrieden.« Jetzt grinste er wieder bei dieser kleinen Spitze.
Der Kommissar
wurde endgültig sauer, weil Zeise offensichtlich in der Mappe geschnüffelt hatte.
»Raus hier, Zeise. Ich zähle bis drei.«
Der Büroleiter
wich erschrocken zurück. Hansen nutzte das aus und trat schnell mit dem Fuß die
Tür hinter ihm zu. Dann öffnete er sie ganz behutsam wieder und entschuldigte sich.
»Es war die Zugluft, Kollege Zeise. Ist nicht ganz ungefährlich. Besser, die Tür
bleibt zu.«
Der Büroleiter
nickte eingeschüchtert. Dann verschloss Hansen sanft die Tür vor Zeises Nase. Er
liebte diese kleinen Machtspielchen mit seinem Büroleiter.
Gespannt
öffnete er die Mappe. In ihr lag das Ergebnis der Abfrage nach Meyer-Riemenscheidt.
Vor etwa vier Wochen wurden Kollegen von der Falkwache in die Wohnung seiner Mutter
gerufen. Dort wurde Meyer-Riemenscheidt nackt auf den Knien kauernd auf dem Wohnzimmertisch
vorgefunden. Dass er diese Stellung wegen einer Fesselung mittels Handschellen nicht
selbständig verlassen konnte, schien ihm äußerst unangenehm zu sein.
Die überraschten
Kollegen konnten Meyer-Riemenscheidt nur mit schwerem Gerät aus seiner misslichen
Lage befreien. Er sagte aus, dass er von drei jüngeren männlichen Russen ohne ersichtlichen
Grund mehrfach vergewaltigt worden war. Sogar mit einem Baseballschläger hatten
die Täter ihn penetriert. Besonders unappetitlich empfand Hansen, dass Meyer-Riemenscheidts
eigene Mutter gezwungen wurde, der Vergewaltigungsprozedur beizuwohnen.
Nach den
Tätern wurde sofort gefahndet, aber die Beschreibungen, die Meyer-Riemenscheidt
und seine Mutter abgegeben hatten, waren so vage, dass ein Fahndungserfolg ausblieb.
Die spätere
Vernehmung seiner Mutter ergab, dass sie nicht nur äußerst unglücklich über die
sexuelle Orientierung ihres Sohnes war, sondern ihm vorwarf, sich im Strichermilieu
herumzutreiben.
Das sollte
jeder mit sich selbst ausmachen, befand Hansen, aber vor der eigenen Mutter hatte
so etwas niemand verdient.
Nach Ansicht
der Kollegen von der Falkwache kam nur eine Straf- oder Racheaktion in Betracht.
Das war im Nachhinein brisant, denn Meyer-Riemenscheidt hatte im Wirtschaftsministerium
keine unwichtige Position.
Der Bericht
endete pikant, denn die Mutter wollte nicht ausschließen, dass die Vergewaltigung
ihres Sohnes inszeniert war, von wem auch immer. Ihren Sohn schloss sie ausdrücklich
nicht von dem Vorwurf aus.
Hansen grübelte.
Er würde einen Psychologen zu Rate ziehen müssen, denn dieser Vorfall könnte ein
möglicher Schlüssel zur Lösung des Falls sein. Vielleicht handelte es sich gar nicht
um einen Verrückten, der in Mittelholstein Leute aus dem Energiesektor abmurkste.
Vielleicht waren es schlicht und einfach Beteiligte aus der Energiebranche, die
mit illegalen Mitteln versuchten, sich Vorteile zu verschaffen.
Kollege
Stüber sollte gleich morgen früh Meyer-Riemenscheidts Mutter verhören. Vielleicht
würde sie nach dem Tod ihres Sohnes endlich Klartext sprechen.
Hansen konnte
nicht glauben, dass die Serie ein Ende gefunden haben sollte.
KERN. Gab
es noch einen folgenden Buchstaben, der die nächste Gewalttat einleiten könnte?
Das Wort KERNE ergab keinen Sinn. Hansen kam nicht weiter.
Das
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