Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
Telefon
klingelte.
Kehraus
Vorsichtig hob Stuhr den Kopf. Sein
Schädel tat ihm weh. Er blickte sich vorsichtig um. Er hatte tatsächlich die ganze
Nacht auf dem Teppich geschlafen. Das einzige andere Inventar in dem gesamten Raum
war ein nervig tickender Plastikwecker, dessen Zeiger beide nach oben wiesen.
Es musste
schon Mittag sein. Er erhob sich mühselig und wankte zur Wohnungstür. Die superdicke
Zeitung auf seiner Fußmatte signalisierte ihm, dass es Sonntag war. Richtig, das
Blatt musste er auch noch umbestellen.
Er schlurfte
in die Küche, die bis auf einen Umzugskarton, der als Tisch diente, und zwei Campingstühle
leer geräumt war. Vergeblich forschte er in der Speisekammer nach Essensresten.
Vielleicht
würde zunächst ein schlichter Kaffee reichen. Er schloss den Kaffeeautomaten wieder
an die Steckdose an. Dann wankte er notgedrungen Richtung Klo. Fast wäre er mit
Olli zusammengerasselt, der ihm im Halbdunkel des Flurs auf der gleichen Schneise
entgegengewackelt kam.
»Pass doch
auf«, fluchte Stuhr und verzog sich unwirsch auf seine Klobrille. Er befand sich
noch im Halbschlaf, bis ihn das aus der Küche stammende Mahlgeräusch endgültig weckte.
Er beendete schnell sein Geschäft, wusch sich nur kurz die Hände und hastete in
die Küche zurück. Zu spät. Olli führte sich gerade den frisch gebrühten Kaffee an
den Mund. »Zu spät, Alter.«
»He, Olli,
das gehört sich nicht. Ich habe die Maschine angestellt. Das war mein Kaffee.«
Olli schien
Stuhrs Einlassung nicht sonderlich zu stören. Er spülte genüsslich das Kaffeegebräu
in seinem Mund hin und her. Viel schmecken konnte er seinem verkaterten Gesichtsausdruck
nach aber nicht.
Stuhr ging
zum Automaten und drückte die Kaffeetaste. Das hohe singende Geräusch der Kaffeemühle
verriet ihm, dass sich keine Kaffeebohnen mehr im Automaten befanden. Wieder fluchte
er.
Olli hatte
sich inzwischen wie selbstverständlich die Sonntagszeitung geangelt und studierte
mundfaul den Sportteil. Ab und zu blickte er verstohlen über den Zeitungsrand aus
dem Fenster.
Stuhr wunderte
sich, was es an diesem trüben, regnerischen Sonntag vor seinem Küchenfenster Großartiges
zu sehen geben könnte.
»Schiete«,
entfuhr es Stuhr. Es mussten seine regendurchtränkten Möbel sein, die immer noch
auf dem Bürgersteig standen. Er verspürte wenig Lust auf eine weitere Nacht auf
dem Teppich. Er öffnete das Fenster, um sich einen genauen Blick über den Stand
der Dinge zu verschaffen. Das Mobiliar lag total durchgesuppt zu seinen Füßen. Schnell
verschloss er das Fenster wieder und blickte Olli ratlos an, der ungerührt den nächsten
Schluck aus seiner Kaffeetasse nahm.
»He, Olli,
meine halbe Wohnungseinrichtung versinkt da unten in der Flut. Die Dinge sind ein
Teil meines Lebens. Wir müssen die Möbel sofort wieder ins Trockene bekommen.«
Olli schien
das herzlich wenig zu kratzen. Ohne jegliche Gefühlsregung trank er den letzten
Schluck Kaffee aus. »Wohin willst du deine durchpissten Möbel denn bringen? Wenn
du dein Treppenhaus damit vollstopfst, dann werden sich deine neuen Nachbarn herzlich
dafür bei dir bedanken. Oder sollen wir die durchgeregneten Teile hier wieder hochschleppen?«
Stuhr überlegte,
ob es Olli wirklich ernst mit der Aufgabe seiner Möbel war. Es schien so zu sein,
denn er hielt ihm einen Möbelprospekt aus der Sonntagszeitung unter die Nase. »Hier,
Stuhr, das ist alles viel schöner und moderner, als was dort unten auf der Straße
herumgammelt.«
Es tat weh,
aber Stuhr kam nicht umhin, Olli recht zu geben. Viel würde von seinem Mobiliar
nicht mehr zu retten sein.
»Also gut«,
willigte Stuhr ein, »neue Wohnung, neue Möbel. Aber was machen wir mit den alten
Sachen? Auf der Straße können sie schlecht stehen bleiben.«
»Das ist
ganz einfach. Die musst du nur beim Sperrmüll anmelden.«
»Aber das
kann Wochen dauern, bis die kommen und die Sachen abholen.« Stuhr war unentschlossen.
Olli zuckte
mit den Achseln. »Ja, und? Du kannst dich einfach im Datum geirrt haben, oder? Dann
bleibt das Zeug eben eine Zeit lang da unten stehen. Du wirst dich wundern, was
in der Zwischenzeit alles weggeschleppt wird.«
Das leuchtete
Stuhr ein. Wenn er früher abends Sperrmüll herausgestellt hatte, ging es nachts
vor der Haustür wie auf der Tauschbörse zu. Was die Müllhandwerker morgens abtransportierten,
stammte weitgehend nicht von ihm.
Olli setzte
nach. »Im Übrigen, was geht dich der Müll überhaupt an? Du ziehst in
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