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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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bedeutete, dass sie es bestens kannten. Das Mädchen wurde damit beauftragt, die Stangen auf dem Abreitplatz in die von Biehler gewünschte Höhe zu bringen, damit er mit dem Aufwärmtraining beginnen konnte.
    »Wer ist dieses Mädchen?«, fragte Anke, die beobachtet hatte, dass das Mädchen immer in Biehlers Nähe war. »Mir ist nämlich nicht bekannt, dass Peter Biehler eine Tochter hat.«
    »Das Mädchen arbeitet für ihn, sie macht alle Arbeiten, die im Reitsport anfallen, damit er sich nicht selbst darum kümmern muss. Als er in unseren Stall kam, hat er sie mitgebracht«, erklärte Robert.
    Es dauerte nicht lange, da wurde Peter Biehler aufgerufen.
    Als die Klingel ertönte, das Zeichen dafür, dass der Parcours für den Start frei war, machte Biehler jedoch etwas völlig Unerwartetes. Anstatt auf die Richterbank zuzureiten und zu grüßen, galoppierte er in vollem Tempo los, allerdings in die falsche Richtung. Der Fuchs rannte wie von einer Tarantel gestochen um die grüne Hecke herum, wo auch die Leute des Parcoursdienstes standen. Vor Schreck sprangen die überraschten Helfer in die Hecke hinein, weil der Fuchs immer schneller das Gebüsch umkreiste. Biehler saß völlig hilflos auf dem großen Pferd und versuchte mit allen Mitteln, durchzuparieren, aber vergebens. Der Fuchs rannte unbeirrbar weiter.
    »Herr Biehler, hier ist die Richterbank!«, ertönte eine leicht amüsierte Stimme durchs Mikrofon.
    Der Schimmel blieb unbeeindruckt und setzte seine Runden um die Hecke weiterhin fort. Alle Bemühungen von Biehler, das Pferd unter Kontrolle zu bringen, scheiterten, bis eine zweite Klingel ertönte.
    »Herr Biehler, dieser Busch gehört nicht zum Parcours! Oder wollen Sie unter die Buschreiter gehen?«, ertönte die vor Ironie triefende Stimme durchs Mikrofon.
    Die Zuschauer lachten.
    Verwirrt fragte Anke: »Was ist ein Buschreiter?«
    »Vielseitigkeitsreiter nennt man auch Buschreiter. Eine Vielseitigkeitsprüfung besteht aus einer Dressurprüfung, einer Geländespringprüfung, wo es nur feststehende Naturhindernisse gibt, und aus einer Springprüfung im Parcours«, erklärte Robert.
    Wieder verging eine Weile, bis die Stimme durchs Mikrofon sich erneut meldete: »Herr Biehler, Ihre Zeit ist um. Gerne hätte ich Ihnen noch ein Weilchen zugesehen, aber Sie sind ausgeschieden!«
    Lautes Gelächter ertönte aus den Zuschauerreihen. Auch Anke konnte sich nicht mehr halten vor Lachen und meinte zu Robert, der ebenfalls sehr belustigt wirkte: »Ich würde mich an Biehlers Stelle in Grund und Boden schämen!«
    Aber Robert winkte nur ab und meinte: »Das lässt ihn eiskalt!«
    Trotz des Richterspruchs und durch das Gelächter der Zuschauer umrundete Biehler weiterhin die Hecke, bis er in seiner Hilflosigkeit sich einfach vom Pferd fallen ließ und sich an den Zügeln festhielt. Damit brachte er das Pferd tatsächlich zum Stillstand. Um dem Hohn noch die Krone aufzusetzen, erhielt er für seine Zirkusnummer einen jubelnden Applaus der Zuschauer.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht führte er den Schimmel zu Sybille und ließ sich von ihr die Schulter reiben. Anke und Robert begaben sich in ihre Nähe, weil sie neugierig waren, was er zu sagen hatte. Während Sybille ihm die Schulter massierte, meinte er zu den anderen Reitern, die ihn fragend musterten: »Ich habe mir beim Einreiten in den Parcours die Schulter ausgerenkt. Deshalb konnte ich das Pferd einfach nicht mehr durchparieren.«
    Sybille bedauerte ihn tüchtig, während er seine Geschichte erzählte, wodurch er sich noch mehr bestätigt fühlte. Als die anderen Reiter sich wieder entfernten, stieß er seine Frau weg und meinte in einem sehr unfreundlichen Ton: »Es reicht jetzt. Stell das Pferd weg!«
    Amüsiert über das abwechslungsreiche Programm, zu dem Biehler erheblich beigetragen hatte, spazierten Anke und Robert über den Turnierplatz, der sich mit Besuchern und Reitern füllte. Anke blickte sich um, aber sie kannte niemanden, während Robert ständig von Bekannten angesprochen wurde. Sie ritt erst seit wenigen Monaten, überlegte sie sich, da war es nur verständlich, dass sie noch fremd war in dieser Gesellschaft. Aber das wollte sie ändern. Sie wollte sich Freunde suchen, mit denen sie ihre Interessen teilen konnte. Sie war es leid, ihr Leben nur aus Arbeit bestehen zu lassen. Kullmann hatte völlig Recht, der ihr immer wieder geraten hatte, sie solle auch lernen, ihr Privatleben zu genießen; schließlich sei man nur einmal jung. Nun wollte sie damit

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