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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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ihn ganz allein festnehmen wollte?«
    »Ausgerechnet Hübner soll den meistgesuchten Verdächtigen gefunden haben, dass ich nicht lache!«, bemerkte Esche verächtlich.
    »Hübner ist ein guter Polizist, vergiss das nicht«, ermahnte Kullmann und fügte an: »Wenn er wieder zurückkommt, wird er uns schon sagen, wo er war!«
    Aber Esche behielt das letzte Wort: »Ja – wenn er wirklich so gut ist und als einziger im Alleingang den Polizistenmörder gefunden hat, warum kommt er dann nicht zurück und zeigt uns, was er geleistet hat?«
    Keiner reagierte auf diesen Kommentar.
    Schweigen erfüllte den Raum.
    In diese Stille hinein schrillte Kullmanns Telefon.
    Gespannt hob Kullmann den Hörer ab. Während er nur zuhörte, verschwand das bisschen Farbe, das er im Gesicht hatte, völlig. Kreidebleich legte er den Hörer wieder auf.
    »Unsere schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden! Hübners Leiche wurde im Stadtwald am Schwarzenberg gefunden!«
    Diese Schreckensnachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Abteilung und im ganzen Haus. Entsetzen breitete sich unter den Mitarbeitern aus. Manche wollten es nicht glauben, indem sie behaupteten, es könne nur ein Irrtum sein, während andere sich zurückzogen und das ganze Ausmaß dieses Unglücks zu begreifen versuchten. Anke konnte nur schwer ihre Tränen zurückhalten. Ganz und gar in sich gekehrt verarbeitete sie die grausame Botschaft. Neben der Angst vor einem Polizistenmörder bedrängten sie starke Schuldgefühle, ihn nicht daran gehindert zu haben, auf eigene Faust loszustürmen. Wahnsinnig war dieser Alleingang gewesen, aber warum erkannte sie das erst jetzt? Warum hatte sie nicht gleich reagiert, als er seine Dienstwaffe an sich genommen hatte? Warum hatte sie ihn gehen lassen? Diese Fragen zermürbten sie. Den Rest des Tages schwankte sie zwischen verzweifelten Tränenausbrüchen und selbstquälerischen Vorwürfen, ihn nicht aufgehalten zu haben. Sie hätte einfach wissen müssen, dass er im Begriff war, kopflos in sein Unglück zu rennen, sie kannte ihn von allen hier am besten.
    Wie sehr hatte sie unter seinen ständigen Eskapaden gelitten, als sie mit ihm zusammen war. Sie hatte ihm das Schlimmste gewünscht, als ihre Beziehung gescheitert war. Und nun, da er tot war, bereute sie jeden Fluch. Dabei hingen ihre rachsüchtigen Gedankenspiele nur mit seinem rücksichtslosen Verhalten zusammen. Er hatte mit ihren Gefühlen nur gespielt, war sich des Ausmaßes ihrer Liebe zu ihm gar nicht bewusst gewesen. Sie hatte ihn damals wirklich geliebt. Das konnte Anke nicht vergessen. Immer wieder blitzten schmerzliche Erinnerungen auf. Ihre Abweisungen ihm gegenüber waren nur Selbstschutz gewesen, um nicht wieder seinem Charme zu verfallen. Die Angst, wieder von ihm enttäuscht zu werden, war zu groß gewesen. Mit ihrem Verstand hatte sie sich ihre Mauer aufgebaut, um ihre Gefühle ihm gegenüber wegzuschieben. Unwillkürlich beschlich sie die Frage, ob Hübner sein Vorhaben geändert hätte, wenn sie ihm ihre Sorge gezeigt hätte. Aber Anke hatte gemerkt, dass er ihr unbedingt etwas beweisen, ihr gefallen wollte. Das allein konnte wirklich nicht der Auslöser dafür sein, dass er einem Mörder in die Hände gefallen war.
    Spät am Nachmittag betrat Kullmann Ankes Zimmer und setzte sich ihr gegenüber. Eine Weile schaute er sie an, bis er sagte: »Hübners Tod geht uns allen sehr nahe!«
    Anke schwieg. Seit der Hiobsbotschaft hatte sie nur tatenlos dagesessen. Zwar wusste sie, dass die Arbeit getan werden musste, auch wenn die Situation unerträglich war. Aber es gelang ihr nicht, sich dazu aufzuraffen.
    Nach einer Weile sprach Kullmann weiter: »Morgen früh kommt ein Kriminalbeamter aus Köln hierher. Er übernimmt die Nachfolge von Nimmsgern und wird bei uns bleiben. Aus familiären Gründen hat er um die Versetzung gebeten. Trotz unserer Trauer um Hübner müssen wir handlungsfähig bleiben. Esche wird mit ihm zusammenarbeiten.«
    Esche, Esche, immer wieder Esche, schoss es Anke durch den Kopf. Sie sah schon rot, wenn sie nur seinen Namen hörte. War Hübner nicht Esches Teamkollege, der gerade erschossen worden war? War Nimmsgern nicht zufällig auch Esches Teamkollege, der vor einem halben Jahr erschossen worden war?
    »Das schmälert die Lebenserwartung des neuen Kollegen erheblich«, bemerkte Anke bissig.
    Kullmann stutzte: »Was soll das? Ich verstehe, dass Sie durch diese schrecklichen Todesfälle in unserer Abteilung sehr betroffen sind, das

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