Kullmann
Mit einer bedrückenden Vorahnung ging sie in Kullmanns Büro und erzählte ihm alles, was vorgefallen war. Sogar Hübners abfällige Bemerkung über seinen Vorgesetzten und seine Gewissheit, der neue Chef zu werden, ließ sie in ihrer Erzählung nicht aus.
Völlig überrumpelt von diesen Neuigkeiten fragte Kullmann: »Und er hat nicht mit einem Wort gesagt, wen er verhaften wollte?«
»Nein, er wollte diesen entscheidenden Schritt im Alleingang machen!« Anke wiederholte Kullmann das letzte Gespräch, das sie mit Hübner geführt hatte.
Kullmann grübelte nachdenklich. »Das gefällt mir gar nicht. Wir beide kennen Hübner ja schon länger und wissen, dass er im Übereifer wichtige Dinge übersieht!«
»Sie befürchten also auch, dass ihm bei der vermeintlichen Festnahme etwas zugestoßen ist?«
»Das tue ich in der Tat. Wenn er dem richtigen Polizistenmörder auf die Spur gekommen ist …« Den Gedanken wollte Kullmann nicht zu Ende denken.
Jürgen Schnur und Esche betraten in diesem Moment das Büro und berichteten von der Befragung der vergangenen Nacht: »Leider hat sich herausgestellt, dass der Verdächtige von letzter Nacht nicht als unser gesuchter Mann in Frage kommt.«
Als sie mit ihrem Bericht fertig waren, bemerkten sie erst die betretenen Mienen von Anke und Kullmann.
»Was ist denn los?«, richtete Esche seine Frage an Anke und bewegte sich zielstrebig in ihre Nähe.
Sofort wich Anke nach hinten aus, aber Kullmanns Schreibtisch versperrte ihr den Weg.
»Von Hübner gibt es immer noch kein Lebenszeichen«, sagte Kullmann. »Oder habt ihr beide etwas von ihm gehört?«
Auf der Ecke des Schreibtischs ließ Anke sich nieder, ganz in der Nähe ihres Chefs. Sie erhoffte sich von der Nähe zu Kullmann, dass Esche sich bremsen würde – aber leider vergebens.
Er antwortete auf Kullmanns Frage, ohne dabei Anke aus den Augen zu lassen: »Nein, nichts!« Er kam Anke immer näher, die nun auf der Schreibtischkante saß und keine Fluchtmöglichkeit mehr hatte.
»Horst, du warst sein Teampartner! In Hübners Unterlagen muss es einen Hinweis darauf geben, wohin er gestern Abend so überstürzt aufgebrochen ist. Du musst dort nachsehen«, bestimmte Kullmann, ohne ihn dabei anzusehen.
»Geht klar! Mach ich«, reagierte Esche, ließ sich aber nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er stellte sich so dicht vor Anke, die immer noch auf der Ecke von Kullmanns Schreibtisch saß, dass er ihren Oberschenkel mit der Ausbuchtung in seiner Hose berührte. Ganz sachte, dass niemand der Umstehenden etwas bemerkte, begann er, sich an ihr zu reiben. Anke erschrak so sehr, dass sie um ein Haar gestürzt wäre, als sie von der Schreibtischkante hochschnellte. Esche fing sie geschickt auf und hinderte sie am Hinfallen, so dass niemand dieser Szene eine besondere Beachtung schenkte. Nur Anke zitterte am ganzen Körper vor ohnmächtiger Empörung.
»Nicht so erregt, meine Liebe«, flüsterte Esche, doch Anke stieß ihn heftig von sich.
Kullmann schaltete sich ein und meinte unfreundlich: »Hübner ist verschwunden, das sollte nun unsere Aufmerksamkeit wecken. Also hört jetzt bitte auf damit, euch zu zanken, wer an welchem Platz stehen will!«
»Es gibt noch andere Ungereimtheiten, die Ihre Aufmerksamkeit wecken sollten«, schimpfte Anke.
»Was soll das?«, fragte Kullmann.
»Ich habe mich bestimmt nicht darum gezankt, wer an welchem Platz stehen soll!«
»Seien Sie doch bitte nicht kindisch. Gerade jetzt, wo wir uns ganz besonders konzentrieren müssen«, besänftigte Kullmann, dass er sie, ohne es zu wollen, noch wütender machte. Anke fühlte sich schon wieder missverstanden – nicht nur das, wie ein kleines Kind hatte er sie behandelt.
Esche grinste sie unverhohlen an, wobei er so geschickt stand, dass weder Jürgen noch Kullmann das sehen konnten.
Esther wurde von Jürgen hinzugerufen, um die Mannschaft zu vervollständigen. Nachdem alle über die Situation aufgeklärt worden waren, wandte Kullmann sich an Esche: »Du arbeitest doch mit Hübner im Team. Hat er jemals Namen genannt, die im Zusammenhang mit dem Fall stehen könnten?«
»Nicht dass ich wüsste. Gestern ist er völlig überraschend aus dem Büro gestürmt und hat mir einfach nicht sagen wollen, was er vorhatte. Ich wollte ihn mit allen Mitteln zum Reden bringen, aber er war stur wie ein Esel. Irgendwann habe ich es aufgegeben, weil es einfach keinen Sinn hatte.«
Jürgen fragte: »Was ist, wenn er wirklich den Polizistenmörder gefunden hat und
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