Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
Vom Netzwerk:
Sie war todmüde, ihr Kopf schmerzte. Kurz entschlossen wollte sie sich auf den Weg zu machen.
    Als sie den Flur betrat, begegnete ihr Jürgen, der ebenfalls das Büro verlassen wollte. Esther befand sich einige Schritte hinter ihm, als Esche mit einem Mann hereinkam und zielstrebig sein Büro ansteuerte. Mit erstaunten Blicken verfolgten Esther, Anke und Jürgen die beiden. Leise murrte Jürgen: »Wir brüten stundenlang in Verhören und Befragungen herum, und Esche zaubert einen Verdächtigen aus dem Hut. Wie damals vor Weihnachten, als er uns alle hatte dumm dastehen lassen!«
    »Meinst du den Kindermord in Merzig?«, hakte Esther nach und Jürgen murrte: »Den auch!«
    Anke erinnerte sich wieder daran, dass es Esche einmal im Alleingang gelungen war, einen Raubmörder zu stellen, der im Raum Saarlouis in Grenznähe zu Frankreich Banken überfallen und bei seinem letzten Coup einen Bankangestellten erschossen hatte. Während sie alle verzweifelt nach dem gewalttätigen Verbrecher gesucht hatten, kam Esche eines Abends mit dem Täter im Schlepptau ins Büro marschiert, als sei es eine leichte Übung, den gesuchtesten Mann im Saarland auf der Straße aufzugabeln. Er hatte in der Tat alle Kollegen äußerst dumm aussehen lassen.
    Kurze Zeit später kam Esche wieder aus seinem Büro heraus. Er war völlig durchnässt und wirkte griesgrämig.
    »Dieser Blödmann wollte sich doch tatsächlich dem Zugriff entziehen. Er rannte einfach los, als es zu regnen anfing. Hat ihm aber nichts genützt. Schaut euch nur an, wie ich aussehe«, schimpfte er.
    »Was liegt denn gegen ihn vor?«, fragte Jürgen.
    »Man kann nie wissen. Eigentlich hatte ich ihn nur observiert. Aber dann muss er mich bemerkt haben. Sein Fluchtversuch ist eindeutig und Verdacht genug. Ich werde mich erst einmal abtrocknen und dann mit der Befragung beginnen. Kann jemand von euch dabeibleiben?«, Fragend schaute Esche in die Runde, wobei sein Blick bei Anke hängen blieb.
    Sie wandte sich jedoch ohne ein Wort zu sagen ab, weil sie nicht das geringste Interesse daran hatte, spät in der Nacht allein mit Esche im Büro zu sein.
    Ironisch schlug Esther vor: »Anke, du könntest Horst doch helfen! Ich habe den ganzen Tag mit Jürgen diese verdammten Computerdaten durchgesehen und bin wie erschlagen. Ich wäre keine gute Hilfe!«
    Esche erläuterte grinsend: »Es ist gar nicht viel tun. Es geht mir nur darum, dass jemand bei mir ist, während ich die Befragung durchführe!«
    »Dann habe ich eine Lösung für dein Problem«, konterte Anke prompt.
    »Lass hören?«
    »Esther hat mir bestätigt, wie gern sie in deiner Nähe ist – und das noch ohne Arbeit – das würde ihre kühnsten Erwartungen übertreffen!«
    Damit hatte Anke zurück geschossen, was ihr eine große Genugtuung war.
    »Was ist eigentlich mit Hübner los?«, lenkte Jürgen ab. »Solltest du nicht mit ihm im Team arbeiten?«
    »Eigentlich schon! Aber Hübner hat heute Abend ziemlich überhastet das Büro verlassen, seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen«, erklärte Esche schulterzuckend.
    Anke spürte einen Stich. Seit Hübners letztem Auftritt hatte sie ihn als Angeber zu vergessen versucht. Doch jetzt erst merkte sie, wie lange er schon weg war. Wenn er wirklich einen Verdächtigen verhaften wollte, müsste er doch längst wieder zurück sein.
    Vielleicht hatte sie einen Fehler gemacht, als sie Hübner in dieser Verfassung einfach gehen ließ. Darüber wollte sie mit niemandem reden. Vielleicht waren ihre Sorgen auch nur etwas voreilig und Hübner kam ahnungslos wieder durch die Tür ins Büro. Also schwieg sie. Schnell verabschiedete sie sich und überließ es Jürgen und Esther zu entscheiden, wer Esche beim Verhör helfen sollte.
    Anke konnte nicht abschalten, nach allem, was sich an diesem Abend zusammengeballt hatte. Ihre verspätete Erkenntnis, nichts gegen Hübners übereilten Aufbruch getan zu haben, belastete sie sehr, weil er nicht mehr zum Dienst zurückgekommen war. Es passte nicht zu Hübners Art, dem Dienst einfach fernzubleiben. Viel zu ehrgeizig war er und zu sehr auf die Beförderung erpicht, als dass er damit alles aufs Spiel setzen würde. Sollte ihm etwas zugestoßen sein? Als sie zu Hause ankam, rief sie sofort bei ihm an, aber sie hörte nur den Anrufbeantworter. Von nun an versuchte sie es stündlich bei Hübner, aber er war nicht zu erreichen.
    Am nächsten Morgen kam sie unausgeschlafen im Büro an. Es gab nichts Neues von Hübner. Sie befürchtete das Schlimmste.

Weitere Kostenlose Bücher