Kullmann
einmal der Verdacht im Hinterkopf spukte, sucht man leichter einen potenziellen Verbrecher als einen ehrlichen Menschenfreund. Leider hatte der Abend, von dem sie sich so viel versprochen hatte, in einer Situation geendet, die ihre privaten Wünsche zurückstellte, dafür ihre Fähigkeiten als Polizistin forderte. In dieser Situation kam es sehr auf ihre beruflichen Erfahrungen an, sie durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren. Mit einem kühlen Kopf musste sie nun die Situation steuern, damit sie eine Chance hätten, der Gefahr zu entkommen.
»Das hat aber auch einen Vorteil«, überlegte Anke. »Er weiß nicht, dass du Besuch hast. Wir haben den Überraschungsmoment auf unserer Seite!«
Da hörten sie ein Geräusch an der Tür. Erschrocken zogen sie sich ins Wohnzimmer zurück. Von dort aus schlich Anke auf den Balkon, um nachzusehen, ob dieser Weg als Fluchtweg in Frage kam. Aber leider konnten sie von diesem Balkon nicht herunterspringen, dafür war er viel zu hoch. Enttäuscht kam Anke in die Wohnung zurück und suchte Robert in der Dunkelheit.
»Wo bist du?«, flüsterte sie in die Dunkelheit.
»Pst! Er ist immer noch an der Tür!«, zischte er ganz in ihrer Nähe.
Ganz langsam näherte sie sich der Richtung, aus der Roberts Antwort kam und fand ihn auch gleich. Geduckt saß er hinter einem Sessel, bewaffnet mit seiner Taschenlampe.
Plötzlich krachte es laut und die Tür fiel in die Wohnung. In den Trümmern stand eine schwarze Gestalt. Seine Silhouette war nur undeutlich zu erkennen, weil er in der Finsternis durch seine schwarze Kleidung gut getarnt war. Anke musste ihre Augen sehr anstrengen, um ihn überhaupt zu sehen. Zu ihrer Sicherheit versteckte sie sich an einer anderen Stelle als Robert, damit er sie beide nicht auf einen Schlag erwischen konnte. Sie mussten die Gelegenheit genau abpassen können, um zuzuschlagen. Immerhin waren sie zu zweit, da müsste es ihnen doch gelingen, den Eindringling zu überwältigen.
»Gibt es noch einen zweiten Ausgang?«, fragte Anke ganz leise. Aber Robert verneinte.
Gerade noch rechtzeitig hatte sie sich hinter dem Schrank versteckt, da stürzte der Mann auch schon genau in Roberts Richtung. Mit einem Hechtsprung hatte er das Sofa überquert und landete sofort über Robert, der in seiner Verzweiflung seine Taschenlampe einschaltete und den Eindringling damit zu blenden versuchte. Aber der Mann schlug ihm blitzartig den Gegenstand aus der Hand. Mit einer geschickten Handbewegung verschränkte er in Sekundenschnelle Roberts Arme auf dem Rücken und versuchte, Robert in dieser unbequemen Haltung aus der Wohnung heraus zu treiben. Aber Robert wehrte sich mit aller Kraft, trat mit seinen Füßen in die Beine seines Angreifers und stemmte seinen Körper mit aller Wucht gegen ihn. Mit einer hastigen Bewegung drehte die schwarze Gestalt Robert in seine Richtung, holte weit aus und schlug mit aller Wucht in sein Gesicht. Entschlossen griff Anke nach der Stehlampe, die direkt neben ihr stand, wagte sich aus ihrem sicheren Versteck heraus und wollte ihm damit von hinten über den Kopf schlagen. Genau in dem Moment hörte der Eindringling sie und drehte sich so schnell um, dass Anke erschrak und den Mann nur an der rechten Schulter treffen konnte. Robert rührte sich nicht mehr, was Anke nur ganz am Rande registrierte, weil sie nun hilflos dem Einbrecher ausgeliefert war. In der einen Hand hielt er einen Stock, die andere hatte er zur Faust geballt. Sekundenlang standen sie sich so gegenüber. Ankes Herz raste wie wild. Nichts konnte sie tun. Sie konnte nicht weglaufen, sie konnte ihn nicht überwältigen, weil sie keine Waffe hatte, sie konnte auch keine Hilfe herbeischaffen. Sie saßen in der Falle! Doch dann geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Der Einbrecher drehte sich um und rannte so schnell davon, als ginge es um sein Leben und nicht um ihres. Fassungslos schaute Anke ihm nach, wie er durch die eingetretene Tür verschwand und hielt wie versteinert ihren Blick auf die zertrümmerte Tür gerichtet, als könnte der Einbrecher seine Meinung ändern und wieder zurückkehren. Erst als Robert leise zu stöhnen begann, besann sie sich wieder und wandte sich ihm zu. Als sie ihn mit der Taschenlampe anleuchtete, erschrak sie. Sein Gesicht war übel zugerichtet, Blut sickerte aus mehreren Platzwunden, außerdem waren noch einige blaue Flecken hinzugekommen. Als er Anke sah, lächelte er schmerzverzerrt und grunzte schwer verständlich: »Unser Rendezvous hatte
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