Kullmann
drückte sie an sich, küsste ihre Stirn, ihre Wangen, ihren Hals und streichelte ihren Rücken. Ankes innerer Widerstand löste sich immer mehr in seinen Armen auf. Sie schmiegte sich an ihn und erwiderte seine leidenschaftlichen Küsse. Als die Musik-CD zu Ende war, gingen sie ins danebenliegende Schlafzimmer. Als Anke die Nachttischlampe einschaltete, begann Robert langsam und elegant, sich in dem schwachen Lichtschein auszuziehen. Amüsiert schaute Anke ihm zu und juchzte bei jedem Kleidungsstück, das er ihr entgegenwarf. Bis zu seinen Boxershorts führte er sein Schauspiel vor und forderte anschließend Anke auf, es ihm nachzutun. Verlegen lachte Anke und rannte vor Aufregung zuerst einmal auf die Toilette. Dort machte sie sich frisch. Als sie wieder ins Schlafzimmer zurückkam, stand Robert mit dem Rücken zu ihr. Er stand direkt vor dem kleinen Tisch, auf dem sie immer ihre Dienstwaffe ablegte, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Sofort war sie aus ihren Schwärmereien gerissen, denn genau dort befand sich auch jetzt ihre Waffe. Sie hatte völlig vergessen, sie wegzuräumen. Als Robert sich langsam zu ihr umdrehte, hielt er die Pistole auf sie gerichtet.
»Mit so etwas arbeitet eine zarte, zierliche Frau wie du?«, fragte er skeptisch, doch Anke blieb die Luft weg. Sie glaubte, dass das ihr Ende bedeuten würde. Robert war doch der Polizistenmörder, er hatte alle auf die gleiche Art getötet, indem er die Waffen der Opfer benutzt hatte. Und genau in dieser Situation befand Anke sich jetzt, hilflos dem Mörder ausgeliefert.
»Mein Gott Anke, wie siehst du denn aus?«, rief Robert und wollte einen Schritt auf sie zumachen, als Anke schrie: »Nein, bitte nicht! Nicht ich!«
Erst jetzt merkte Robert, dass er immer noch die Waffe in der Hand hielt. Behutsam legte er sie auf den alten Platz zurück und schaute Anke an.
»Anke, was ist mit dir? Was habe ich getan?«
Aber Anke konnte gar nicht mehr antworten, sie bekam keine Luft mehr. Kraftlos ließ sie sich auf einen Stuhl sinken.
Was war nur mit ihnen geschehen? fragte sie sich. Wie ein schleichendes Gift hatte dieser Fall ihr Glück mit Robert zerstört. Ohne ihre Ermittlungsarbeiten im Fall der Polizistenmorde wäre sie niemals auf eine solche Idee gekommen, Robert könnte sie in ihrer eigenen Wohnung erschießen. Je mehr sie darüber nachdachte, umso absurder kam ihr das alles vor.
Robert spürte auch die Kluft zwischen ihnen immer größer werden. Welche Vorwürfe wollte sie ihm machen? Wollte sie ihm vorwerfen, ihre Dienstwaffe von einem Platz aufgehoben zu haben, wo sie sie unerlaubterweise liegen gelassen hatte? Aber nun machte es den Eindruck, als wollte sie nur ihm vorwerfen, etwas falsch gemacht zu haben.
Enttäuscht zog er sich wieder an und schritt entschlossen zur Ausgangstür. Bevor er die Wohnung verließ, schaute er noch einmal zu ihr zurück und meinte traurig: »Und du willst mir sagen, dass du an meine Unschuld glaubst?«
Leise fiel die Tür ins Schloss und zurück blieb eine unerträgliche Stille.
Es dauerte eine Weile, bis Ankes Atem sich wieder normalisiert hatte. Erst da konnte sie wieder klar denken. Das erste, was sie erkannte, war, dass sie alles falsch gemacht hatte. Völlig verzweifelt rannte sie in ihrer kleinen Wohnung hin und her und fragte sich, was nur in sie gefahren war, so zu reagieren. Sie hatte ihn zutiefst verletzt, dabei wollte sie ihm doch so gerne glauben. Allmählich rief sie sich die Situation ins Gedächtnis. Natürlich hatte er nach ihrer Waffe gegriffen, sie hatte selbst den Fehler gemacht, sie dort liegen zu lassen. Aber erschießen wollte er sie damit bestimmt nicht. Zu viele Gelegenheiten hätte er bereits dazu gehabt, und er hatte sie nicht genutzt. Denn welcher Mörder machte vorher noch einen Striptease, bevor er sein Opfer tötete? Das kam ihr am unwahrscheinlichsten vor.
Nachdem sie eine Weile in ihrer Wohnung völlig aufgebracht herumgerannt war, konnte Anke endlich einen Entschluss fassen. Sie rief ein Taxi an, weil sie in ihrer Verfassung unmöglich Auto fahren konnte. Damit ließ sie sich zum Staden fahren. In einiger Entfernung von Roberts Wohnung stieg sie aus. Die wenigen Meter wollte sie durch die Nachtluft gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Die Luft war kühl und angenehm. Alles war still bis auf die leisen Autogeräusche von der Stadtautobahn auf der anderen Saarseite. Die Villa, in der Robert wohnte, lag eingerahmt von Laubbäumen, die sich noch dunkler von der Fassade des
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