Kullmann
Hauses abzeichneten. Eine Weile blieb sie davor stehen und atmete tief durch. Sie wusste noch gar nicht, wie sie ihm gegenübertreten sollte, hatte sich noch gar keine Worte zurechtgelegt. Trotzdem trat sie auf das Haus zu. Ihr Entschluss war gefasst, sie musste sich bei Robert entschuldigen, das war sie ihm schuldig.
Die Haustüre war nur angelehnt. Erstaunt drückte Anke gegen die Tür und trat in den Korridor. Roberts Wohnung lag im ersten Stock. Sie nahm die Treppe. Oben angekommen, klingelte sie bei Robert. In seiner Wohnung brannte Licht. Nichts rührte sich. Wieder drückte sie auf den Klingelknopf, aber sie konnte kein Geräusch aus der Wohnung vernehmen. Das fehlte noch, überlegte sie. Ihn überhaupt nicht in der Wohnung anzutreffen, damit hatte sie nicht gerechnet. Das brachte ihre ganze Entschlossenheit völlig ins Wanken.
»Robert, hier ist Anke! Bitte mach auf!«, rief sie.
Tatsächlich wurde die Tür einen schmalen Spalt geöffnet. Anke kam sich wie ein lästiger Hausierer vor. Ganz vorsichtig streckte er den Kopf heraus, als vergewissere er sich, wer vor seiner Tür stand.
»Bist du allein?«, fragte er, was Anke bejahte.
»Ich möchte mich bei dir entschuldigen, weil ich mich eben wie eine Vollidiotin benommen habe. Dafür brauche ich keine Begleitung!«
Hastig öffnete Robert die Tür, zog Anke blitzartig in seine Wohnung und verschloss die Tür wieder.
»Hast du jemanden im Haus gesehen?«, fragte er immer noch atemlos.
»Nein!«
Nun erst sah Anke, wie Robert aussah. Er hatte Kratzer und blaue Flecken im Gesicht, seine Kleidung war verschmutzt und zerrissen.
»Meine Güte, was ist denn hier los?«
»Ich bin vor dem Haus überfallen worden, gerade als ich aus dem Auto aussteigen wollte«, antwortete Robert und zuckte zusammen, als Anke ihre Hand auf seine linke Schulter legen wollte. »Autsch. Dort hat er mich mit einem harten Gegenstand getroffen.«
»Wie bist du ihm entkommen?«
»Ich habe zurückgeschlagen. Er ist einige Schritte rückwärts getaumelt. Diese Gelegenheit habe ich genutzt, im Haus zu verschwinden. Als ich noch einmal zurückgeschaut habe, hatte er etwas in seiner Hand, was eine Waffe gewesen sein könnte!«
»Hast du ihn erkennen können?«
»Nein, er trug so etwas wie einen Strumpf über dem Gesicht«, erklärte Robert. »Aber, wie bist du überhaupt ins Haus gekommen?«
»Die Haustür war nur angelehnt!«
»War das Schloss beschädigt?«
»Darauf habe ich nicht geachtet, weil ich ja nicht ahnen konnte, dass ein Einbrecher im Haus ist«, meinte Anke und erkannte erst jetzt, was sie gerade gesagt hatte: »Du meinst also, der Täter ist jetzt hier im Haus?«
»Ja! Du hattest verdammtes Glück, dass du ihm nicht begegnet bist!«
Gerade, als Robert diesen Satz ausgesprochen hatte, wurde es dunkel in der Wohnung.
»Jetzt hat er den Strom abgestellt!«, stieß er entsetzt aus. »Wir sitzen hier in der Falle!«
»Nein. Wo ist das Telefon, ich rufe jetzt die Kollegen bei der Polizei an. Dann werden wir ja sehen, wer hier in der Falle sitzt!«
Robert kramte in einem Regal nach einer Taschenlampe, mit der er Anke den Weg zum Telefon leuchtete. Aber die Telefonleitung war tot.
»Wo ist dein Handy?«, fragte sie.
»Es liegt im Auto.«
Nun war ihre Situation in der Tat sehr heikel, stellte sie fest, weil sie ihr Handy ebenfalls vergessen hatte. In der Gemütsverfassung, in der sie von ihrer Wohnung aufgebrochen war, hatte sie nicht mehr an eine solche notwendige Kleinigkeit denken können.
»Wenn dieser Kerl die Telefonleitung trennen kann, kennt er sich verdammt gut in dem Haus aus«, stöhnte Anke. »Er überlässt wirklich nichts dem Zufall. Hast du denn eine Ahnung, wer es auf dich abgesehen hat?«
»Nein, absolut nicht. Was sollen wir jetzt nur machen?«, flüsterte Robert. Als er von Anke keine Antwort bekam, fügte er an: »Eigentlich wollte ich dich so kurz nach unserem missglückten Stelldichein nicht wieder sehen. Aber das ändert nichts daran, dass ich mir jetzt auch noch um dich Sorgen machen muss!«
Bei diesen Worten wurde Anke sofort warm ums Herz. Wieder fragte sie sich, warum sie Robert so panikartig verdächtigen konnte. Nie und nimmer konnte dieser einfühlsame Mensch ein Mörder sein. Aber sie war von ihrer Arbeit als Kriminalpolizistin und dem täglichen Umgang mit Kriminellen so geprägt, dass sie schon unsensibel für seine Aufrichtigkeit und seine Liebesbezeugungen geworden war. Ihr Arbeitsdenken hatte ihr einen bösen Streich gespielt; wenn
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