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Kullmann

Kullmann

Titel: Kullmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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Unmissverständlich hatte sie ihm gesagt, dass Esche aufdringlich war und ihr Angst eingejagt habe. Genau in diesem Moment hätte er reagieren müssen. Aber was hatte er getan? Er hatte ihr Anliegen lächelnd heruntergespielt mit den Worten, sie könne sich wehren. Er hatte Esche in Schutz genommen, anstatt Anke zu schützen. Er hatte versagt, als es um das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ging. Damit hatte er ihrem Vertrauen in ihn einen schweren Schaden zugefügt. Bestürzt über diese Feststellung rieb Kullmann sich die Schläfen, die zu pochen begannen.
    Wie weit war Esche noch gegangen, um Anke aus dem Rennen zu bringen? War es ihm tatsächlich nur um die Beförderung gegangen? Kullmanns Schläfen pochten immer mehr. Diese Fragen hatte er sich nicht gestellt. Übelkeit stieg ihm hoch bei der Erkenntnis, dass er Ankes Angst nicht an sich herangelassen hatte. Eigentlich hätte er sie nach der jahrelangen Zusammenarbeit besser kennen sollen. Was war er doch für ein Narr! Tatsächlich hatte Esche es geschafft, einen Keil zwischen Anke und ihn zu treiben.
    Schnell verstaute er den Schlagstock in seinem Schreibtisch und verließ das Landeskriminalamt. Da ihm ein Besuch in der Spielbank Saarbrücken bevorstand, fuhr er zuerst nach Hause, um sich dort etwas Passendes für diesen Zweck anzuziehen.
    Er entschied sich für einen kombinierten Anzug aus leichtem Leinenstoff in blaugrau, eine Farbe, die er immer gerne trug. Einerseits war sie neutral, andererseits passend für jede Gelegenheit. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass die Hose etwas eng geworden war. Das war das Ergebnis seines guten Appetits. Eigentlich sollte er auf sein Gewicht besser achten, weil er schon genügend Pfunde mit sich herumtrug, aber es schmeckte einfach zu gut. Darauf wollte er nicht verzichten. Geschickt lenkte er seine Aufmerksamkeit auf seine Krawatte, die er passend zum Anzug auswählte.
    Zuerst machte er sich auf den Weg zu Anke. Schleunigst wollte er ein klärendes Gespräch mit ihr führen, was ihm gerade nach diesen erschreckenden Erkenntnissen gewaltig auf der Seele brannte. Vielleicht begleitete sie ihn sogar zur Spielbank. Anke schaffte es immer wieder, seinen Horizont an Ermittlungsmöglichkeiten zu erweitern. Ihre liebenswürdige Art entkrampfte manche Situation und erleichterte dadurch die Arbeit.
    Aber er hatte Pech. Anke war nicht zu Hause. Enttäuscht stand er vor der verschlossenen Tür und spürte, wie seine Entschlossenheit wieder erlahmte. Resigniert fuhr er allein zur Spielbank. Auf keinen Fall wollte er diese Arbeit aufschieben, weil er sich sonst viel zu sehr mit seinen Gewissensbissen plagen musste.
    Neugierig betrat er die Spielbank. Am Eingang wurde er aufgefordert, seinen Personalausweis abzugeben. Als er stattdessen seinen Polizeiausweis zückte, sah er den üblichen Wechsel im Gesichtsausdruck.
    »Ich bin dienstlich hier und habe ein paar Fragen«, meinte er freundlich an der Theke. »Kann ich mit dem Geschäftsführer sprechen?«
    »Ich werde ihn suchen. Sie können sich solange bei uns umsehen«, erwiderte die Empfangsdame freundlich.
    Dieser Einladung kam Kullmann gerne nach. Neugierig betrat er einen großen Saal, der von einer exklusiven Atmosphäre beherrscht wurde. Die Geräusche waren sehr gedämpft, die Luft flirrend. Große Spieltische waren umringt von Besuchern, die mit entschlossenem Blick ihre Jetons einsetzten und verloren. Die Mehrzahl der Tische waren Roulettetische; französisches Roulette und amerikanisches Roulette. Auf der linken Seite des Raumes wurden zwei Blackjack-Tische von Spielern belagert. Als Blickfang stand ein Glücksrad inmitten des Geschehens, das keine Beachtung fand. Nur der Croupier saß gelangweilt daneben und wartete auf Kundschaft. Ein seltsam anmutender Tisch stand weiter hinten, den Kullmann erst bei näherem Hinsehen als chinesisches Würfelspiel  Sic Bo  erkannte. An diesem Abend fand dieses Spiel auch keine Anhänger. Ebenso der Baccara-Tisch, der direkt daneben stand und genauso verlassen aussah. Die meisten Besucher konzentrierten sich auf die ständig rollende Kugel des Roulettes. Jeder Spieler befand sich in seiner eigenen Welt, zu der niemand Zutritt hatte. Die Isolation dieser Menschen ließ Kullmann frösteln. Er stand direkt daneben und wurde gar nicht gesehen. Es hatte aber auch den Vorteil, unbemerkt beobachten zu können.
    Eine kegelförmige Theke ragte bis in die Mitte des Raumes und wurde beleuchtet von ineinander verschlungenen

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