Kullmann
Lichterketten, die in ihrer Künstlichkeit abstießen und wohl den Hauch der großen Welt ausstrahlen sollten. Die meisten Barhocker standen leer.
Auf der gegenüberliegenden Seite standen die Spielautomaten, deren gelegentliches Klingeln und Rasseln, wenn ein Gewinn fällig wurde, die einzigen Geräusche waren.
Während Kullmann auf den Geschäftsführer wartete, spürte er die bleierne Luft in diesem Ambiente. Die Schritte wurden verschluckt, die Menschen wirkten auf ihn wie hypnotisiert. Nichts von dem, was um sie herum geschah, konnte ihr Interesse wecken. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Spiel. Den einzigen Schwung brachten die deutlichen Stimmen der Croupiers, die riefen »Ihre Einsätze bitte!« Daraufhin erwachten die Spieler zum Leben, indem sie der Aufforderung folgten. Im Anschluss daran hieß es: »Nichts geht mehr! Rien ne vas plus!«, was noch eine letzte Hektik auslöste für spät entschlossene Einsätze. Es überraschte ihn sehr, dass viele der Spieler jung waren, die an den Roulettetischen standen und mit Jetons ihre Einsätze gaben. Diese Jetons wechselten ihre Besitzer im Flug und niemand schien sich großartig daran zu stören. Gefesselt und mit starrem Blick blieben sie am Spieltisch stehen, als könnten sie Gewinne erzwingen.
Einige festlich gekleidete Damen und Herren waren ebenfalls unter den Gästen und spielten und verloren mit einer Routine hohe Geldsummen, die Kullmann erschrecken ließ. Der Spieltrieb hatte sie alle hier im Griff. So auch eine Frau, die Kullmann bekannt vorkam. Je genauer er hinsah, desto sicherer wurde er sich, dass er sie nicht zum ersten Mal sah. Es war die Rothaarige, die er schon zweimal in Kurt Spenglers Nähe gesehen hatte. Bei ihrer ersten Begegnung war es nicht auszuschließen, dass sie zufällig in Spenglers Begleitung gewesen war, doch als er sie sein prachtvolles Haus verlassen sah, wusste er, dass mehr dahinter steckte. Sie hier zu erblicken, stärkte Kullmanns Zuversicht, mit seinen Ermittlungen die richtige Richtung eingeschlagen zu haben.
Kullmann setzte sich an die Theke, um Spenglers Bekannte in Ruhe beobachten zu können. Sie trug ein sündhaft teures Kleid, das mit ihren Reizen nicht geizte, dazu Schmuck, der aussah wie ein Schatz aus Tausend und einer Nacht. Sie bewegte sich sehr elegant – schon verführerisch. Knisternde Erotik verbreitete sie mit ihren geschickten Bewegungen, womit es ihr tatsächlich gelang, die Aufmerksamkeit anderer Spieler auf sich zu lenken. Es war nicht möglich, diese auffallende Frau zu übersehen. Solche Frauen konnten den Männern gefährlich werden, überlegte Kullmann.
Je länger er diese Menschen beobachtete, umso mehr überkam ihn das Gefühl, in dieser Spielwelt einem Geheimnis von Kurt Spengler näher zu kommen. Sollte er wirklich spielsüchtig sein, dann wollte er diese ihm fremde Atmosphäre in sich aufnehmen, um diese Seite von Spengler besser verstehen zu können. Kullmann lächelte über sich. Er kam sich wie ein verdeckter Ermittler vor, der sich beim Gegner getarnt einschmuggelte, um ihn besser kennen zu lernen. Sein Eindruck wurde immer deutlicher: Die schillernde, rothaarige Dame passte genau in Kurt Spenglers Lebensstil. Sie gehörte zu der gleichen Welt, in der Spengler lebte – es war die Welt voller Glanz und Glamour.
Kurze Zeit später kam der Geschäftsführer. Auf Kullmanns Frage hin, ob er Kurt Spengler kannte und in seiner Spielbank bereits gesehen hatte, bekam er die Antwort, die er sich erhofft hatte. Er schaute nicht auf die Uhr, als er das Casino verließ.
Am nächsten Morgen war der Himmel voller schwarzer Wolken, die Unheil verkündend herabblickten. Schwüle Gewitterluft erschwerte Kullmanns Schritte, als er durch den Hof auf das Landeskriminalamt zuging. Kein Lüftchen wehte, das eine Erleichterung hätte sein können. Schweißgebadet betrat Kullmann das Büro, heute ging er in Sachen Pünktlichkeit mit gutem Beispiel voran. Esche war bei einem Einsatz, von dem Kullmann nichts wusste. Auf seinem Schreibtisch lag lediglich eine Notiz von ihm, die mehr verschwieg, als sie mitteilte. Zähneknirschend schob Kullmann die Notiz zur Seite, als Jürgen eilig sein Zimmer betrat. Auch er wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und aus dem Gesicht.
»Warum ist Esche allein zum Einsatz gefahren?«, fragte Kullmann anstelle einer Begrüßung.
Überrascht schaute Jürgen seinen Chef an und antwortete dann: »Ich weiß nichts von einem Einsatz.«
Sofort erinnerte Kullmann sich wieder
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