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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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nach
landenden Feinden hält. Sollten wir einfach ihrer Aufmerksamkeit
entschlüpft sein? Das erscheint unmöglich.
    Ich widme mich erneut meinen Fotos. Eine Auswahl von hundert
erscheint gleichzeitig im Betrachter. Ich drücke auf eins, und
es wird groß und füllt den Bildschirm mit
Erinnerungen.
    Ich streiche mir über den Kopf und frage mich, wie lang meine
Haare wohl wachsen werden. Ich habe die blödsinnige, aber
irgendwie beängstigende Vision, meine Haare könnten so lang
wachsen, daß sie mich würgen, daß sie den Helm und
den Anzug ausfüllen und das Licht ausschließen und mich
schließlich ersticken. Ich habe gehört, daß Haare
nach dem Tod weiterwachsen, ebenso die Nägel. Ich staune,
daß ich bis jetzt – trotz einer oder zweier Fotografien
und den damit verbundenen Erinnerungen – noch keine sexuelle
Erregung gespürt habe.
    Ich kringele mich zu einer fötalen Stellung zusammen. Ich bin
mein eigener kleiner nackter Planet, innerhalb meiner Umgebung aus
abgestandener Luft auf das Primitivste beschränkt. Ein winziger
heimischer Mond, in einem sehr niedrigen, trägen, wandernden
Orbit.
    Was tue ich hier?
    Es ist, als ob ich in diese Situation abgetrieben worden
wäre. Mir ist noch nie auch nur der Gedanke gekommen, zu
kämpfen oder irgend etwas Gefährliches zu tun, nicht bevor
der Krieg ausbrach. Ich sah damals ein, daß er nötig war,
daß er als das Naheliegende erschien; alle waren dieser
Ansicht, jedenfalls alle meine Bekannten. Und sich freiwillig zu
melden, voller Überzeugung teilzunehmen, auch das erschien…
natürlich. Ich wußte, daß ich dabei sterben
könnte, aber ich war bereit, dieses Risiko einzugehen; es hatte
fast etwas Romantisches. Irgendwie ist es mir nie in den Sinn
gekommen, daß damit auch Entbehrungen und Leiden verbunden sein
könnten. Bin ich ebenso dumm wie jene, die es in der Geschichte
immer gegeben hat – und die ich stets verachtet und bemitleidet
habe –, die fröhlich in den Krieg marschieren, den Kopf
voll edler Gedanken und der Erwartung eines leichten Ruhms, nur um
schreiend und zerfetzt im Dreck zu sterben?
    Ich habe mir eingebildet, ich sei anders. Ich habe mir
eingebildet, ich wüßte, was ich tue.
    »Was denkst du?« wollte der Anzug wissen.
    »Nichts.«
    »Oh.«
    »Warum bist du hier?« fragte ich ihn. »Warum
warst du einverstanden, mit mir zu kommen?«
    Der Anzug – offiziell genauso klug wie ich und mit
ähnlichen Rechten ausgestattet – hätte seiner eigenen
Wege gehen können, wenn er es vorgezogen hätte. Er brauchte
nicht in den Krieg zu ziehen.
    »Warum hätte ich nicht mit dir kommen sollen?«
    »Aber was hast du davon?«
    »Was hast du davon?«
    »Aber ich bin ein Mensch, ich bin gegen solche Gefühle
machtlos. Ich möchte von dir wissen, was deiner Meinung nach die
Entschuldigung der Maschinen ist.«
    »Ach, komm, du bist auch eine Maschine. Wir beide sind Systeme, wir sind beide mit einem Empfindungsvermögen
ausgestattet. Wieso glaubst du, wir hätten bezüglich
unserer Denkweise eher die Möglichkeit der Wahl als ihr? Oder
warum sollt ihr sie nicht haben? Wir sind alle programmiert. Wir alle
haben unser Vermächtnis. Ihr tragt daran etwas schwerer als wir,
und es ist chaotischer, aber das ist auch schon alles.«
    Es gibt eine Redewendung, die besagt, daß wir den Maschinen
einen Zweck liefern, und sie liefern uns die Mittel. Ich habe den
undeutlichen Eindruck, daß der Anzug im Begriff ist, dieses
altehrwürdige Sprichwort zu widerlegen.
    »Machst du dir wirklich Sorgen um das, was im Krieg
geschieht?« frage ich ihn.
    »Natürlich«, antwortet er, und es hört sich
beinah so an, als ob ein Lachen in seinem Ton mitschwingt. Ich lege
mich zurück und kratze mich. Ich werfe einen Blick auf die
Kamera.
    »Ich habe eine Idee«, sage ich. »Wie wäre es,
wenn wir ein sehr leuchtendes Bild heraussuchten und es im Dunkeln
hin und her schwenkten?«
    »Du kannst es ja versuchen, wenn du willst.« Der Anzug
klingt nicht sehr ermutigend. Ich versuche es trotzdem, und
irgendwann wird mein Arm vom Schwenken der Kamera müde. Ich
lasse sie an einen Stein angelehnt stehen, so daß sie in den
Raum hinaus leuchtet. Es wirkt in dieser toten und staubigen
Dunkelheit sehr einsam und fremd, dieses Bild von einem sonnigen
Orbittag, mit Himmel und Wolken und glitzerndem Wasser,
glänzenden Schiffsrümpfen und großen Segeln,
flatternden Fahnen und sprühender Gischt. Ganz so leuchtend ist
es übrigens nicht; ich vermute, reflektiertes Sternenlicht ist
nicht viel

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