Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
zwei
den Umfang des Feldes, das das Schiff unter dem gekräuselten
blauen Meer absteckte.

 
6: Unerwünschtes Fremdwesen
     
     
    6.1: Später wirst du mir dankbar sein
     
    Dezember. Wir näherten uns dem Ende des Unternehmens,
beseitigten die letzten Unklarheiten. Auf dem Schiff herrschte eine
Atmosphäre der Erschöpfung. Die Leute waren stiller
geworden. Ich glaube nicht, daß es einfach nur Müdigkeit
war. Ich meine, es war eher so etwas wie die Auswirkung einer
erkannten Objektivität, einer inneren Distanz; wir waren schon
lange genug hier, um die anfängliche Erregung überwunden zu
haben, die Flitterwochen mit dem Neuartigen und Entzückenden
waren vorüber. Wir betrachteten die Erde allmählich als
Ganzes, nicht mehr nur als Auftrag, der erledigt werden mußte,
als Spielplatz, den es zu erforschen galt, und unter diesem
Gesichtspunkt wurde sie einerseits weniger unmittelbar und
andererseits eindrucksvoller; ein Teil der Literatur, etwas, das
durch Fakten und Querverweise belegt war, aber nicht mehr uns
gehörte; ein Tropfen Wissen, der bereits vom anschwellenden
Erfahrungsozean der Kultur geschluckt worden war.
    Selbst Li war leiser geworden. Er veranstaltete seine Wahl, aber
nur wenige Leute hatten die Nerven dafür, ihre Stimme abzugeben,
und es geschah auch nur, um ihm einen Gefallen zu tun.
Enttäuscht erklärte sich Li zum Captain des Schiffs im Exil
(nein, ich habe das auch nie begriffen), und beließ es dabei.
Er fing an, Wetten über Pferderennen, sportliche Wettkämpfe
und Fußballspiele gegen das Schiff abzuschließen. Das
Schiff hatte offenbar dabei etwas manipuliert, denn es schuldete Li
schließlich eine lächerliche Summe. Li bestand darauf,
daß es ihn bezahlte, also bescherte ihm das Schiff einen
makellosen faustgroßen Diamanten. Er sei sein, erklärte
ihm das Schiff. Ein Geschenk; er durfte es besitzen. (Danach
verlor Li jedoch das Interesse daran und ließ den Stein mit
Vorliebe an allgemein zugänglichen Stellen liegen; ich
stieß mir zweimal die Zehen daran. Schließlich
veranlaßte er das Schiff, den Stein unterwegs beim Verlassen
des Systems im Orbit des Neptuns zurückzulassen; ein
Scherz.)
    Ich verbrachte viel Zeit auf dem Schiff damit, Tschardasch-Musik
zu hören, allerdings vor allem, um mich zu beruhigen.
    Ich bekam eine Bildungsreise gewährt, wie fast alle anderen
auf dem Schiff, und verbrachte einen Tag oder so an all den Orten,
die ich besuchen wollte; ich sah den Sonnenaufgang vom Gipfel des
Khufu und den Sonnenuntergang von Ayers Rock. Ich beobachtete in
Ngorongoro ein Rudel Löwen beim Faulenzen und Spielen und das
Kalben des Ross-Eisberges; ich sah Kondore in den Anden,
Moschusochsen in der Tundra, Polarbären auf dem Arktischen Eis
und Jaguare, die durch den Dschungel schlichen. Ich fuhr Schlittschuh
auf dem Baikal-See, tauchte über dem Großen Barriereriff,
spazierte an der Chinesischen Mauer entlang, ruderte über den
Dal- und den Titicaca-See, erstieg den Mount Fuji, ritt auf einem
Maultier in den Grand Canyon, schwamm mit den Walen vor
Niederkalifornien und mietete eine Gondel für eine
Venedig-Rundfahrt, durch den kalten Winternebel, unter einem Himmel,
der auf mich alt und müde und ausgelaugt wirkte.
    Ich weiß, daß einige Leute die Ruinen von Angkor
besuchten, mit einer Sicherheitsgarantie des Schiffes in Form seiner
Drohnen und Dolchgeschosse versehen… Das war jedoch nichts
für mich. Genausowenig brachte ich es über mich, Potala zu
besuchen, so gern ich es gewollt hätte.
    Uns stehen einige Monate Erholungsurlaub auf einer Orbitalsiedlung
im Trohoase-Sternhaufen zu; das ist das übliche nach einem
Intensivaufenthalt an einem Ort wie die Erde. Sicher, ich hatte
für die nächste Zeit keine Lust zu weiteren Erkundungen;
ich war völlig ausgepumpt; jede Nacht schlief ich fünf oder
sechs Stunden lang und träumte heftig, als ob der Druck der
künstlich verdichteten Informationen, die ich als Unterweisung
mit auf den Weg bekommen hatte – vermischt mit all meinen
persönlichen Erlebnissen – zuviel für meinen armen
Kopf gewesen wäre und er ein Leck bekommen hätte, als ich
nicht auf der Hut war.
    Ich hatte vor dem Schiff klein beigegeben. Die Erde sollte ein
Kontrollierter Planet werden; ich hatte versagt. Selbst ein
zurückhaltendes Lauern, das Warten bis Hermageddon, wurde
verworfen. Ich diskutierte mit dem Schiff darüber in einer
Mannschaftsversammlung, erreichte jedoch nicht einmal ein
Mitspracherecht für die Menschen. Die Willkür stimmte sich mit

Weitere Kostenlose Bücher