Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
von den anderen in diesem Buch in mehrerlei Hinsicht. Zum einen geht es hier um die Letzten Dinge: das höchste Wesen, um den Sinn des Lebens – also um weit mehr als nur ums Malen, Schreiben, Singen, Tanzen und Springen, also jene Aktivitäten, denen wir uns in den meisten anderen Kapiteln widmen. Zum anderen eignet sich das Thema Religion nicht sonderlich gut zum Small Talk bei der nächsten Stehparty oder zum gepflegten Gespräch im abendlichen Kreis von Freunden oder Bekannten.
Vor geraumer Zeit saß ich nach einem Vortrag mit einigen anderen Teilnehmern dieser Veranstaltung beim Abendessen zusammen. Wir waren eine bunte Runde verschiedener Nationalitäten. Drei Deutsche waren darunter, ein Holländer, eine Engländerin und eine Schwedin. In einem Zusammenhang, an den ich mich nicht mehr genau erinnern kann, begann einer der Deutschen auf einmal über Gott zu reden, dass er an ihn glaube, und dass man seltsamerweise nicht öffentlich darüber sprechen dürfe. Die Runde verstummte. Der Holländer hüstelte. Die Schwedin richtete ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf das Hühnchen in Safranreis auf ihrem Teller. Die Engländerin murmelte etwas, das sich sowohl als Zustimmung als auch als Widerspruch deuten ließ, und bemühte sich, die Konversation auf das Wetter der kommenden Tage zu lenken. Mir fiel ein, dass ich dringend meine Hände waschen sollte. Kurzum: Alle Gesprächsteilnehmer machten klar, dass hier ein Small-Talk-untaugliches Thema angeschnitten worden war. Nur der Deutsche schien seinen Fauxpasnicht zu bemerken (oder bemerken zu wollen). Er sprach in großer Ernsthaftigkeit weiter über seine religiösen Überzeugungen. Angesichts dieser Hartnäckigkeit gab der Holländer zu erkennen, dass er nicht an Gott glaube, sich aber dennoch für einen anständigen Menschen halte. Ich verspürte plötzlich heraufziehende Kopfschmerzen und verabschiedete mich rasch. Ich habe nämlich auch keine Lust auf solche Gespräche.
Was diese Anekdote zeigt: Wir können heutzutage, wenn auch erst nach zwei bis drei Glas Wein, ungezwungen über Hämorrhoidenleiden und Orgasmusprobleme plaudern – aber nicht über Gott. Jedenfalls nicht, ohne ein betretenes Schweigen auszulösen. Wir mögen noch nicht einmal darüber reden, dass wir nicht darüber reden. Und das hat einen guten Grund.
Man kann zwar mit Gott diskutieren (Moses und Lot zum Beispiel haben ihm in einigen Feilschereien beachtliche Zugeständnisse abgerungen), aber man kann nicht über Gott diskutieren. An Gott kann man nur glauben – oder es bleiben lassen.
Mit diesem Hinweis könnten wir dieses Kapitel nach wenigen Zeilen beenden. Das Wesentliche wäre gesagt. Aber so einfach wollen wir es uns nicht machen. Schließlich hat unsere grundsätzliche Erkenntnis viele Denker nicht davon abgehalten, über die Existenz Gottes zu sinnieren. Man könnte auch sagen: zu räsonieren. Denn es ging in den meisten Fällen darum, die Existenz Gottes mithilfe des Verstandes zu beweisen.
Die weniger subtilen Methoden, die Menschen zum richtigen Glauben zu erziehen (das Motto »Glaube oder verbrenne!« zum Beispiel), lassen wir an dieser Stelle einmal außer Acht. Wir wollen im Folgenden ebenso wenig einen Überblick über die Geschichte der Religionen geben wie über dieUnterschiede der verschiedenen Glaubensrichtungen und Götter. Denn viel spannender finden wir zwei grundsätzliche Fragen, die sich viele Menschen über alle Religionen hinweg stellen: Gibt es Gott? Und: Brauchen wir Gott?
Kann man Gott beweisen?
Widmen wir uns also zunächst der ersten Frage. Die christlichen Kirchenväter haben sogenannte Gottesbeweise ersonnen, weil sie Gottes Existenz nicht allein dem Glauben überlassen wollten: Wenn es Gott wirklich gäbe (wovon sie überzeugt waren), müsse es möglich sein, ihn mit dem größten Geschenk, das er den Menschen gemacht habe, nämlich dem Verstand, zu erkennen. Die bekanntesten Gottesbeweise stammen von Anselm von Canterbury (1033–1109) und von Thomas von Aquin (1225–1274). Diese Beweise sind zwar schon ziemlich alt, aber es ist in jüngster Zeit nichts wesentlich Neues hinzugekommen.
Der Italiener Anselm von Canterbury formulierte im 11. Jahrhundert den ontologischen Gottesbeweis, den wir gleich erklären werden. Anselm gilt als Begründer der sogenannten Scholastik, was ihn überhaupt dazu veranlasst haben dürfte, über einen Gottesbeweis nachzudenken. Die Scholastiker waren die Wissenschaftler unter den Theologen, die an die Vernunft
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