Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
Erfolgsgeheimnis des Films ist: Er war von Anfang an Kunst für die breite Masse. Schließlich war sein Geburtsort der Jahrmarkt, das Varieté. Kein Medium war im 20. Jahrhundert erfolgreicher und erreichte mehr Menschen als das Kino. Doch gerade deshalb mussten und müssen die Filmschaffenden stets auf der Suche nach Neuem sein, nach neuen Talenten, überraschenden Inhalten, zukunftsweisenden Darstellungen. Der Film muss im Gespräch der Menschen bleiben. Denn anders als das Theater oder die Oper konnte sich das Medium Film nie darauf verlassen, im Zweifel vom Staat finanziert zu werden (auch wenn die europäischen Staaten heute gern Filmförderung betreiben).
Deswegen ist das Kino schon seit über 100 Jahren eine ebenso erfolgreiche wie produktive Kunstform. Wer Visionen und ungewöhnliche Bilder im Sinn hat, für den ist das Kino der Ort, um sie einem großen Publikum vorzustellen. Und selbst der knallharte Produzent, der profitorientierteste Finanzier weiß, dass er die Zukunft seines Verdienstes nur sichern kann, wenn er stets Ausschau hält nach hoffnungsvollem Nachwuchs mit neuen Ideen.
Manche Kritiker versuchen, das »gute«, weil anspruchsvolle Kino gegen das »schlechte«, weil oberflächliche Massenkino abzugrenzen. Dabei haben beide Arten ihre Berechtigung – solange jede für sich gut gemacht ist. Anhand des deutschen Filmregisseurs Rainer Werner Fassbinder (1945 bis 1982) können wir demonstrieren, wie die Kunst namens Film wirklich funktioniert: Fassbinder war von Jugend an ein Filmbesessener, verbrachte viele Nachmittage, Abende, Nächte im Kino und begeisterte sich für die Filme aus dem alten Hollywood – Liebesfilme, Krimis, Western, die es zu ihrer Zeit größtenteils noch nicht mal in die Filmkritikspalten der Zeitungen geschafft hatten.
Zweifellos zählt Fassbinder zu den wichtigsten Filmregisseuren Deutschlands, der eine Reihe von bedeutenden Kunstwerken geschaffen hat (»Lili Marleen«, »Angst essen Seele auf«) – aber nicht etwa trotz seiner Lust an der Massenware Film, sondern gerade weil er aus dieser Filmsprache für ein Massenpublikum zu seiner eigenen Sprache als Künstler gefunden hat. Übrigens zählen auch Fassbinder-Werke zu jenerArt von Filmen, in denen der Zuschauer stets etwas Neues entdecken kann. Und überall auf der Welt, wo sich Menschen für deutsche Filme interessieren, hat der Name Rainer Werner Fassbinder bis heute einen guten Klang.
Die Sternstunden des Kinos
Machen wir einen kleinen Streifzug durch die Geschichte des Films, anhand dessen wir entscheidende Neuerungen und wichtige Wendepunkte in der Entwicklung des Kinos beleuchten können.
Das Geburtsjahr des Films haben wir bereits erwähnt: 1895. Im Berliner Varieté Wintergarten präsentierten die Brüder Max und Emil Skladanowsky im Mai mittels einer Apparatur namens Bioskop einen etwa 15-minütigen Film mit kleinen Szenen aus dem Artistenleben. Ein halbes Jahr später stellten die Brüder Auguste und Louis Lumière in Paris ihren Cinématographen vor. Dessen Filme waren anfangs sogar nur wenige Sekunden lang und zeigten Szenen aus dem trauten Familienleben.
Die französische Technologie setzte sich durch. Herumreisende Schausteller präsentierten in ihren Zelten die »bewegte Fotografie«, und das Publikum bestaunte Menschen wie du und ich in Alltagsszenen – wenn man so will, begann das Kino mit einer Urversion von »Big Brother«. Der entscheidende Schritt zur freien Filmkunst war dem Pariser Unternehmer Georges Méliès zu verdanken: Er entschied sich dafür, die »bewegten Bilder« in einem festen Theaterbau zu zeigen. Was wiederum zur Folge hatte, dass er den Gästen in regelmäßigen Abständen immer neue Programme bieten musste, denn sonst wären die Leute ja schon bald lieber daheim geblieben. Das war der Anlass und fortan der Antrieb für eine ständige Produktion an Filmneuheiten, an immer neuen Filmgeschichten.
Was folgte, waren die großen Stummfilmjahre. Wenn wir heute Werke aus dieser Zeit sehen, beeindruckt die Ausdruckskraft der Schauspieler und die Art, wie ihre Geschichten auf das Wesentliche konzentriert sind. Zwar wird ab und zu mal eine Texttafel eingeblendet, aber der einzige Ton ist die begleitende Musik des Klavierspielers oder des Orchesters (und das Rattern des Filmprojektors). Am Anfang der Kunstform Film stand nicht das endlose, alles erklärende Gespräch – sondern die Kraft der Bilder, die nur aufgrund des Zur-Schau-Stellens schon eine klare Botschaft hatten.
1927
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