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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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starb, erklärte der Filmkritiker Thomas Klingenmaier in einem Zeitungsnachruf die Idee Rohmers folgendermaßen: »Rohmer war der Meinung, dass Filme, die alles richtig machen, etwas Wesentliches falsch machen. Dass sie zwar Publikum locken, aber eigentlich kein Publikum mehr brauchen, weil sie sich selbst erklären. Es gibt in ihnen nichts zu entdecken, zu erfahren, zu deuten und zu suchen.«
    Unabhängig vom Werk Rohmers ist das eine schöne Beschreibung für anspruchsvolles Kino: Filme, in denen es etwas zu entdecken gibt, aber eben nur dann, wenn der Zuschauer sich aktiv auf diese Entdeckungsreise begibt. Neugier und manchmal ein wenig Geduld sind die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände – wie in der Kultur ganz allgemein, da unterscheidet sich das Kino nicht vom Theater oder von einer Galerie. Und ein wenig Hintergrundwissen als Werkzeug macht diese Art von Expedition noch spannender, wie dieses Kapitel zeigen wird.
    Das ist selbst dann der Fall, wenn Sie gar keine Lust haben auf anspruchsvolle Kunstfilme aus Dänemark, Frankreich, Algerien oder China (um nebenbei das Vorurteil zu bedienen, dass vor allem aus diesen Ländern anspruchsvolle Filme kämen), sondern vielmehr Fan von leichten, bunten, temporeichen Breitwand-Thrillern oder Komödien aus Hollywood sind. Denn häufig bieten auch Unterhaltungsfilme noch vielmehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Und das ist der zweite Grund für dieses Buchkapitel: Wer mehr weiß, der sieht auch mehr.
    Natürlich funktionieren die großen Unterhaltungsfilme vor allem auf einer leicht zugänglichen Oberfläche, die Spannung oder Witz transportiert. Doch der kundige Kinogänger kann auch eine tiefere Ebene erkennen: vom Regisseur versteckte Anspielungen, Hinweise oder Tricks, die dem Film das zusätzliche gewisse Etwas geben – und über die sich nach dem Ende einer großen Vorstellung noch lange spannend diskutieren lässt.
    Als Beispiel seien hier die Filme von Alfred Hitchcock (1899–1980) genannt. Ob »Psycho«, »Die Vögel« oder »Der unsichtbare Dritte«: Hitchcock hat Meisterwerke geschaffen, die bis heute ein Massenpublikum begeistern und so spannend sind, dass man sie sich gern ein zweites und drittes Mal ansieht. Denn aufgrund ihrer Vielschichtigkeit lässt sich in der Wiederholung vieles entdecken, was beim ersten Zuschauen noch gar nicht auffällt – zum Beispiel bestimmte Perspektiven der Kamera, bestimmte Ausschnitte der Wirklichkeit, bestimmte Cuts der Bilder, mit anderen Worten: formale Tricks, mit deren Hilfe Hitchcock es geschafft hat, die Zuschauer auf besondere Weise erschaudern zu lassen. Doch darauf kommen wir später noch zurück.
    Außerdem war Hitchcock – der als Privatmensch selbst von vielen Ängsten geplagt war – ein Meister der psychologischen Anspielungen. So ist einem aufmerksamen Zuschauer einmal aufgefallen, dass Hitchcock zwar ständig Filme über Verbrechen gedreht hat, aber in keinem einzigen die Polizei eine positive Rolle spielt. Hitchcock scheint in seinen Filmen der Polizei grundsätzlich zu misstrauen. Aber warum? Dazu muss man wissen, dass er als Kind einmal von einem Polizisten wegen eines kleinen Vergehens zu Unrecht festgehaltenworden war. Seitdem kannte der Regisseur das schreckliche Gefühl, hilflos und ohnmächtig einer Ordnungsmacht ausgeliefert zu sein. Eben diese Konstellation kann der Zuschauer in vielen Hitchcock-Filmen entdecken, zum Beispiel in »Der falsche Mann« (1956), in dem ein New Yorker Barmusiker unter Verdacht gerät, einen Mord begangen zu haben – und vor Gericht schließlich nur durch Zufall der wahre Sachverhalt aufgedeckt wird.
    Zuschauer, die so etwas wissen, werden Hitchcock-Filme immer noch spannend finden – aber sehen sie jetzt mit anderen Augen und mit noch größerem Gewinn.
    Keine Frage: Filme müssen trotzdem einfach gut gemacht sein. Ein schlechter, langweiliger oder überambitionierter Film wird nicht deswegen besser, weil man hinterher in der Zeitung, im Internet oder in einem Buch lesen kann, was der Regisseur eigentlich Wichtiges damit sagen wollte. Aber viele gute, unterhaltsame Filme werden noch besser, wenn man einen Blick für die kleinen Anspielungen und Effekte der Regisseure bekommt – siehe Hitchcock. Und manche auf den ersten Blick spröden Filme gewinnen etwas Interessantes, Spannendes, wenn man sich zunächst einmal mit Neugier und Geduld auf das Ungewohnte, Sperrige einlässt – siehe Rohmer.
    Warum das Kino immer nach dem Neuen sucht
    Ein

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