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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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realistisch und ebenso skandalträchtig, wenngleich eher nach den inneren Abgründen der individuellen Psyche forschend, schrieb auch der Österreicher Arthur Schnitzler (1862–1931) seine Werke. Vor allem der »Reigen« ist noch oft in den aktuellen Spielplänen vertreten: Zehn Menschen, die scheinbar wahllos nach sexuellen Abenteuern suchen und dabei doch nie zu sich selbst finden – das klingt tatsächlich, als wäre es ein Stück von heute. Stanley Kubrick hat es unter dem Titel »Eyes Wide Shut« mit Tom Cruise und Nicole Kidman 1999 aktualisiert und kongenial verfilmt.
    Wenn die sozialen Nöte der Gesellschaft schon den Sprung auf die Bühne geschafft haben, dann liegt es eigentlich nahe, das Theater selbst zum Instrument sozialer und politischer Veränderung zu erklären. Dafür steht vor allem das Werk von Bert Brecht (1898–1956), dessen Dramen von wüsten Gefühlsausbrüchen (»Trommeln in der Nacht«) über kommunistische Umsturzpropaganda (»Die heilige Johanna der Schlachthöfe«) bis hin zu großen, zeitlosen Lehrstücken über den Widerspruchsgeist des Individuums reichen (»Galileo Galilei«). Brecht ist zweifellos der bedeutendste deutschsprachige Dramatiker des 20. Jahrhunderts, wenngleich viele heute seine Sprache als zu schulmeisterlich empfinden und sein pädagogischer Ansatz nicht mehr recht in die nachideologische Zeit passt.
    Sozusagen ein Brecht im Kleinen, aber wesentlich volkstümlicher, menschennäher und gänzlich ohne pädagogischeAbsicht ist der kroatisch-habsburgische Ödön von Horváth (1901–1938; »Geschichten aus dem Wienerwald«, »Kasimir und Karoline«). Seine Werke erzählen von den kleinen und ganz kleinen Leuten, die ihr Leben gern verändern würden. Doch es sind eben nicht nur die Verhältnisse, die sie daran hindern, wie bei Brecht, sondern auch ihre eigene Begrenztheit und Fantasielosigkeit. Wer ein Horvath-Stück sieht, erlebt Theater, das bei aller Handlung, allen Aktionen scheinbar auf der Stelle tritt und sich die alte Frage der Aufklärer und der Klassiker nach Gewissen, Erschütterung und neuen Zielen nicht mehr stellen mag.
    Deswegen soll das letzte Wort in diesem kurzen Überblick dem Iren Samuel Beckett gehören (1906–1989). Seine Stücke werden als »absurdes Theater« bezeichnet, weil die Situationen und Dialoge der Figuren völlig unsinnig und zusammenhangslos erscheinen. »Warten auf Godot«, uraufgeführt 1953 in Paris, ist ein Meilenstein des modernen Theaters: Auf der Bühne warten zwei Männer auf einen Herrn namens Godot, obwohl sie weder wissen, wer das ist, noch ahnen, was sie mit ihm anstellen sollen (oder er mit ihnen anstellen wird). Eine solche Nicht-Handlung mag beim ersten Lesen bizarr und geradezu abschreckend erscheinen. Aber im Theater kann »Warten auf Godot« mit guten Schauspielern und in einer klugen Inszenierung ein ebenso ergreifendes wie urkomisches Erlebnis sein.
    Aischylos, Sophokles und Euripides, Shakespeare und Molière, Lessing, Goethe, Schiller und Büchner, Ibsen und Tschechow, Hauptmann und Schnitzler, Brecht, Horváth und Beckett – obwohl es auf unserer Reise durch die Theatergeschichte sogar nur 16 statt 20 Namen geworden sind, haben wir bereits mit diesen Autoren jene illustre Runde beleuchtet, aus deren Werk sich die Bühnen mühelos einen Spielplan für die ganze Saison zusammenstellen können.
    Wer hat das Zeug zum Klassiker?
    Wer von den aktuellen Dramatikern das Zeug zum Klassiker hat, lässt sich heute noch nicht absehen. Wie schon erwähnt, werden an jeder größeren Bühne in jeder Saison moderne, also aktuelle Theaterstücke uraufgeführt. Die meisten von ihnen verschwinden allerdings nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung – was im Übrigen in früheren Zeiten ganz genauso war. Das, was wir als Klassiker wahrnehmen, ist ja selbst wiederum nur ein Bruchteil dessen, was auf den Bühnen dieser Welt schon alles gespielt wurde. Welche Texte des aktuellen Theaters so stark sind, dass sie in 20 oder 30 Jahren Anlass zu Neuinszenierungen geben werden, kann heute noch keiner wissen.
    Immer diese Regisseure: der ewige Streit um die Inszenierung
    Die Inszenierung eines Stücks, also die Art, wie der Regisseur den Text des Autors mit den Schauspielern auf die Bühne bringt, ist wohl einer der Hauptstreitpunkte im heutigen Theater, über den viele Zuschauer richtig schön diskutieren können. An den sogenannten modernen Inszenierungen alter Stücke scheiden sich die Geister. Viele Theaterfreunde können nicht

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