Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
die Idee des Theatervorhangs zu verdanken – und das Streben, dem Publikum dank perspektivisch korrekt gearbeiteter Bühnenbilder die Illusion einer eigenen, zweiten Welt auf der Bühne zu vermitteln. Außerdem hat sich in Italien die besondere Theaterform der Oper entwickelt, die in der Folgezeit somachtvoll den Kontinent und die ganze Welt eroberte, dass wir ihr in diesem Buch ein eigenes Kapitel widmen.
Ein weiterer Sprung in der Theatergeschichte führt uns nach Deutschland, wo in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) dem Gauklerwerk der durchs Land wandernden Theaterkompanien mit neuen Stücken und der Idee von festen Bühnenhäusern zu neuer Kraft und Ausstrahlung verhelfen wollte. Lessings »Emilia Galotti« markiert den Beginn der deutschsprachigen Tragödie – und wird bis heute gespielt. Seine »Minna von Barnhelm« steht am Anfang der deutschsprachigen Komödie – und wird ebenfalls bis heute aufgeführt. Sein »Nathan der Weise« ist schließlich das deutschsprachige Lehrstück, die Parabel schlechthin – und der darin enthaltene Aufruf zu Akzeptanz und Toleranz zwischen den Religionen ist zweifellos aktueller denn je.
Lessing verfolgte mit seinen Theaterstücken das Ziel, die Zuschauer zu belehren. Das hat allerdings einen kleinen Nachteil: Seine Figuren wirken manchmal ein bisschen hölzern, wenn sie gerade mit vielen Worten eine Idee oder eine These zu vertreten haben. Was fehlte, war das Gefühl mit seiner unberechenbaren Kraft. Dieses Manko erkannten und behoben dann die Stars der Weimarer Klassik.
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) gilt vielen als der bedeutendste deutschsprachige Dichter überhaupt. Seine Theaterstücke allerdings sind (im Gegensatz zu seinen Romanen wie »Die Wahlverwandtschaften« oder »Wilhelm Meister«) für heutige Gewohnheiten etwas zu umständlich und wortlastig geraten – mit einer deutlichen Ausnahme: Sein »Faust«, der von dem Machtkampf zwischen Teufel und Gelehrten handelt, gehört zu den größten und mitreißendsten deutschen Theaterwerken – und jede dritte Zeile scheint im Deutschen zum geflügelten Wort geworden zu sein.
Friedrich Schiller (1759–1805) dagegen hat seine wichtigsten Werke für die Theaterbühne geschaffen. Mit den »Räubern«, »Kabale und Liebe«, »Don Carlos«, »Wilhelm Tell« oder »Wallenstein« bewies er nicht nur ein ungeheures Geschick für eine dramatisch aufgebaute, überraschende Handlung – er trieb das Theaterpublikum seiner Zeit auch stets aufs Neue bis zur Raserei!
Bei Shakespeare, Lessing, Goethe und Schiller scheitern die Menschen zumeist an den großen Ereignissen. Dass der Mensch aber auch an den scheinbar kleinen Dingen des Lebens scheitern kann und dass gerade dies eine Tragödie ausmacht, dieses Wissen haben wir den Stücken Georg Büchners zu verdanken. Büchner schrieb in seinem kurzen Leben (1813–1837) zwar nur wenige Texte, die aber bis heute Bestand haben. Das gilt vor allem für ein Werk, das sogar unvollendet geblieben ist: Das Fragment »Woyzeck«, in dem ein einfacher Soldat um Eigenständigkeit und Selbstachtung ringt und schließlich scheitert.
Damit sind wir im 19. Jahrhundert angekommen, dem Zeitalter des an Macht und Ansehen gewinnenden Bürgertums – dem vor allem zwei Dramatiker mit ihren Stücken den Spiegel vorhielten: Der Norweger Henrik Ibsen (1828–1906; »Gespenster«, »Nora oder Ein Puppenhaus«) kratzte an der Fassade bürgerlicher Anständigkeit und forschte nach den Lebenslügen der Kaufleute und Akademiker, mithilfe derer sie ihren Platz in der Gesellschaft zu erkämpfen und zu behaupten versuchten. Für den Russen Anton Tschechow (1860–1904; »Drei Schwestern«, »Der Kirschgarten«) befand sich die gesamte gute Gesellschaft des Landes in einem andauernden Dämmerzustand: Man will sein Leben ändern, weiß aber nicht, wie. Beide Autoren lieferten ungemein subtil komponierte Psychodramen, die auch den Theaterbesuchern des 21. Jahrhunderts noch Denkanstöße zu geben vermögen.
Und schon sind wir im 20. Jahrhundert, in einer Zeit wachsender politischer Spannungen und sozialen Elends. Die Lebenslage und die Not der Unterschichten realistisch auf die Bühne zu bringen, das war das Ziel von Gerhart Hauptmann (1862–1946; »Die Weber«, »Die Ratten«). Viele seiner Stücke führten aufgrund ihrer vom damaligen gut situierten Publikum als drastisch empfundenen Wirklichkeitsnähe zu handfesten Theaterskandalen. Sehr
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