Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
darauf ankommt, dass gerade Sie auf Ihrem ganz persönlichen Weg auf diesen Gedanken gekommen sind.
Wir sollten uns ein Vorbild an den Kindern nehmen: Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie stellen Fragen, wollen stets wissen, warum etwas geschieht, wieso ein Mensch handelt, wie er handelt, was hinter einer Sache steckt. Neurobiologen wissen heute, dass das Gehirn von Kleinkindern sich aufgrund von vielen kleinen Erkenntnissen vernetzt. Der Medizinnobelpreisträger Eric Kandel, einer der bedeutendsten Neurobiologen der Welt, hat einmal folgende Anekdote erzählt: Als er zur Grundschule ging, hätten die Eltern seiner Mitschüler ihre Kinder nach dem Unterricht gefragt: »Na, was habt ihr heute gelernt?« Seine Eltern hätten hingegen wissen wollen: »Welche Fragen hast du heute gestellt?« Gepriesen sei, wer solche Eltern hat! Denn nur wer fragt, wird klüger.
Deshalb stellen wir in diesem Kapitel nicht die Antworten, sondern die Fragen vor, die die Philosophie beherrschen. Genau genommen sogar nur vier davon. Und da wir alle auf Schultern von Riesen stehen, sind es noch nicht einmal unsere eigenen Formulierungen, sondern sie sind in der Philosophiegeschichte als die »Vier Grundfragen Immanuel Kants« bekannt. Genau genommen handelt es sich sogar nur um drei Fragen. Die vierte erschließt sich aus den ersten drei.
Die vier Grundfragen Immanuel Kants
Immanuel Kant war ein deutscher Philosoph aus der Epoche der Aufklärung, der von 1724 bis 1804 in der ostpreußischen Stadt Königsberg lebte. Von ihm wissen die meisten Menschen nur, dass er ein verschrobener Hagestolz war und furchtbar komplizierte Bücher geschrieben hat. Beides ist richtig, zumindest wenn man sich im zweiten Punkt auf seine Hauptwerke »Metaphysik der Sitten«, »Kritik der reinen Vernunft« und »Kritik der praktischen Vernunft« bezieht. Das heißt aber nicht, dass Kant nicht außerordentlich klar und verständlich schreiben konnte. 1784 verfasste er einen Aufsatz mit einem Titel, dessen Frage er zugleich beantwortete: »Was ist Aufklärung?« Wir möchten aus diesem noch heute sehr lesenswerten Text die ersten Sätze zitieren, weil die Menschen selten so hellsichtig dazu aufgefordert worden sind, selbstständig zu denken:
»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seinerohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben ; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.«
Voilà, auf diese Weise vom größten Denker deutscher Zunge gestärkt, wenden wir uns den zentralen Fragen der Philosophie zu.
Erste Frage: Was soll ich tun?
Und, darüber hinaus, was ist gut? Wir sprechen also über Ethik und Moral. Man kann sie auf sein individuelles Handeln beziehen oder auf das der Gesellschaft. Der schottische Nationalökonom Adam Smith (1723–1790), oft zu Unrecht als Vater eines skrupellosen Kapitalismus verkannt, war zum Beispiel der Ansicht: Wenn jeder Mensch nach seinem persönlichen Glück (und ökonomischen Gewinn) strebt, dann werde sich das Glück der Völker daraus schon ergeben. Andere wie der Grieche Platon (ca. 428–348 v. Chr.) waren da weniger sicher und wollten die Verwaltung des Staates lieber in die Hand der Philosophen legen, denn nur weise Männer wüssten klug zu regieren. Platon dachte sich deshalb ein hochkomplexes System aus, wie diese regierenden Philosophen erkannt und ausgebildet werden sollten. Nicht nur einen Denker wie den österreichisch-britischen Wissenschaftstheoretiker Karl Popper erinnerte Platons Philosophenstaat an ein totalitäres Regime.
Auf die Frage: »Wie soll ich handeln?« hat Immanuel Kant eine berühmte und einleuchtende Antwort gegeben, seinen »kategorischen Imperativ« (hier in einer Fassung aus der »Kritik der praktischen Vernunft«): »Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen
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