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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Gesetzgebung gelten könne.« Manche Interpretatoren haben diese Forderung noch weiter simplifiziert: »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!« Bei dieser Übersetzung schleicht sich aber ein Fehler ein. Die »Maxime des Willens« zielt auf die Absichten, die ein Handelnder hegt. Was aber, wenn die Absichten, die jemand hegt, zwar theoretisch einen guten Zweck verfolgen, die Mittel, die er dafür einsetzt, aber fragwürdig sind?
    Mit diesem Dilemma schlägt sich Rodion Raskolnikow herum, der Protagonist aus Fjodor Dostojewskis Roman »Schuld und Sühne« (siehe auch das Kapitel Literatur). Er ist der Meinung, seine geizige, zickige und greise Vermieterin um die Ecke zu bringen, könne jederzeit zum allgemeinen Gesetz erhoben werden. Was er sogleich in die Tat umsetzt. Allerdings plagen ihn danach Gewissensbisse in Form von Magenkrämpfen und Fieberanfällen. Vielleicht liegt also die Antwort auf die Frage: »Wie sollen wir handeln?« in uns selbst, in einem inneren Kompass. Dieser Meinung war übrigens auch Immanuel Kant. Er sprach in der »Kritik der praktischen Vernunft« davon, dass zwei Dinge ihn beeindruckten, nämlich »der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir«.
    Moderne Sozialpsychologen würden ihm zustimmen und glauben, dies mit einem Experiment belegen zu können. Sie lassen Probanden folgendes Gedankenexperiment durchspielen, das in der Ethik als »Dicker-Mann-Dilemma« bekannt geworden ist.
    Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Stellwerk. Aufeinem Gleis reparieren fünf Männer die Schienen, auf dem Nachbargleis ist nur ein Arbeiter beschäftigt. Plötzlich bemerken Sie einen Zug heranrasen. Sie haben keine Chance, die Arbeiter zu warnen. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, die Weiche so zu stellen, dass nicht fünf sterben, sondern nur ein Mann zum Opfer wird. Was würden Sie tun?
    Die überwiegende Mehrheit entscheidet sich dafür, die Weiche umzulegen und den einzelnen Arbeiter zu opfern. Es scheint also tatsächlich einen inneren Kompass zu geben, der uns ein Opfer gegen fünf aufrechnen lässt.
    Aber halt! Stellen Sie sich bitte nun vor, Sie stünden an einer Brücke, unter der ein Zug auf fünf Arbeiter zurast, die davon nichts bemerken. Am Geländer lehnt ein sehr dicker Mann. Wenn Sie ihm einen Schubs geben, stürzt er auf die Schienen und bringt den Zug zum Halten. Die Arbeiter wären gerettet.
    Die Bilanz wäre die gleiche: ein Toter, fünf Gerettete. Dennoch lassen die meisten Menschen den dicken Mann am Leben. Warum entscheiden sie sich so? Vielleicht weil wir unbewusst ein unmittelbares Eingreifen (Schubs für den dicken Mann) anders bewerten als ein mittelbares Eingreifen (Weiche umstellen)?
    So einfach ist die Sache mit dem von Kant beschriebenen »moralischen Gesetz« oder dem inneren Kompass eines Menschen also nicht. Und deshalb lässt sich auch die Frage danach, wie wir am besten handeln sollen, nicht eindeutig klären – darum beschäftigt sich die Ethik bis heute mit solchen Fragen.
    Zweite und dritte Frage: Was darf ich hoffen?
Was kann ich wissen?
    Bei der zweiten Frage geht es offensichtlich um Religion, nämlich um den göttlichen Richtspruch über unser Tun und Lassen nach unserem Tod. Darum verweisen wir Sie auf unser Religionskapitel. Um die dritte Frage kümmert sich in der Philosophie die Erkenntnistheorie. Zwei Kernprobleme daraus lauten:
    1. Gibt es eine Dingheit von Dingen, oder haben wir es mit lauter Einzeldingen zu tun, denen wir nur einen gemeinsamen Namen geben? Platon vertrat in diesem Universalienstreit, wie die Philosophen ihn nennen, die erste Auffassung. Hinter allen Pferden gebe es eine Idee von Pferdheit, die wir nur nicht erkennen können, weil wir wie ein in einer Höhle gefangener Mann nur die Schatten der wahren Dinge wahrnehmen, die sich vor unseren Augen bewegen (Platons berühmtes Höhlengleichnis). Unsinn, sagen die Nominalisten, solche Ideen gebe es nicht. Es seien die Menschen, die den Dingen Namen geben und sie damit in Kategorien einteilen.
    2. Ist das, was wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen, wirklich? Oder nur eine Einbildung unseres Geistes? Nehmen andere Menschen das Gleiche wahr, oder bilden sie sich etwas anderes ein? Wie können wir uns mit anderen Menschen verständigen, wenn wir nicht wissen, ob wir über das Gleiche reden, zumal mit dem unzulänglichen Instrument der Sprache (Sprachphilosophie)? Die Konstruktivisten behaupten, es sei alles nur Einbildung. Die

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