Kunst des Feldspiels
so schlaff oder aber
aus Herablassung ihr gegenüber, weil sie eine Frau war. Pella wischte sich
danach demonstrativ die Hand an ihrer Jacke ab.
»Viel Glück für deinen
Lover«, sagte Typ Nr. 2, womit er Henry meinte.
Pellas Augen zuckten zu
Gary hinüber. »Viel Glück für deinen.« Einige der Leute, die in der Nähe saßen,
lachten prustend los. Zwanglose Homophobie war einfach unschlagber, wenn man
das Publikum auf seine Seite ziehen wollte.
Als sie sich wieder
umdrehte, entdeckte sie hinter dem Zaun auf der Westish-Seite den ach so vertrauten
Schopf silbrig gesprenkelten Haars. Er war die ganze Zeit dermaßen beschäftigt,
verkroch sich jeden Tag von vier Uhr morgens bis zum Abend in seinem Büro und
hatte es auch gestern nicht zum Essen geschafft – und doch fand er jede Menge
Zeit, sich Baseballspiele anzuschauen. Er war länger unterwegs gewesen als
Pella und dann aufgestanden und aus dem Haus, bevor sie wach war – es sei denn,
er war überhaupt nicht nach Hause gekommen. Wer konnte schon wissen, wie sein
Privatleben derzeit aussah? Er erzählte ja nie etwas, und selbst ihren
liebenswürdigsten Neckereien in Richtung Genevieve Wister war er mit eintönigem
Desinteresse begegnet.
Er saß in der ersten
Reihe der Tribüne hinter dem Unterstand der Heimmannschaft, flankiert von einem
großgewachsenen nordisch aussehenden Mann in einer Lederjacke und einem
schmalen Latino, der wie ihr Vater Jackett und Krawatte trug. Ihr Dad sah wie
immer schick aus, er war ja auch das Oberhaupt des College, aber innerhalb des
Trios schien der Latino der Anführer zu sein. Er hatte die anmutige, aufrechte
Haltung eines Mönchs, die Schultern nach hinten gezogen und die Hände friedlich
im Schoß gefaltet. Wenn er sprach, beugten sich die beiden größeren Männer im
Bemühen, ihn genau zu verstehen, nach vorn und nickten eifrig. Pella stellte
sich vor, dass er großartige Weisheiten in extremer Bescheidenheit und extrem
geringer Lautstärke zum Besten gab.
Nach ein paar Minuten
entschuldigte sich ihr Vater. Er stand auf, streckte sich und lief den
Maschendrahtzaun entlang, schüttelte Eltern und Studenten die Hände, tauschte
Gefälligkeiten aus, war im Baby-Küss-Modus, bis er die Stelle erreichte, wo der
Zaun an das äußere Ende des Unterstands angrenzte. Dort, von innen gegen den
Zaun gelehnt, als hätte er bereits auf ihn gewartet, stand Owen Dunne.
Pella verfolgte
gebannt, was als Nächstes geschehen würde. Ihr Vater verlangsamte seine
Schritte, blieb stehen, sagte etwas. Owen, die Augen aufs Spielfeld gerichtet,
mit dem Zeigefinger eine Stelle im Buch markierend, antwortete aus dem Mundwinkel
heraus. Ihr Vater hatte den Kopf gesenkt und lächelte ein Lächeln, das sich zu
lautem Lachen zu entwickeln drohte, es dann aber doch nicht tat, zumindest
nicht so richtig. Sie standen da und blickten gemeinsam aufs Spielfeld.
Im Spiel war irgendetwas
passiert – Jubel brach auf der Westish-Tribüne aus, während die Weinroten um
Pella herum aufstöhnten. Owen löste das Tableau mit einem einzigen aus dem
Mundwinkel gesprochenen Wort auf und verschwand die Stufen zur Spielerbank
hinab. Ihr Vater blieb am Zaun stehen, so als wollte er die Stelle noch ein
wenig genießen, an der Owen gestanden hatte; auf seinem Gesicht lag der
versonnene Ausdruck von Welpen-Liebe.
Konnte
das sein? Zuerst
versuchte sie den Gedanken einfach zu verwerfen – er schien ihr weniger
Intuition als vielmehr einen Anflug von Wahnsinn zu bedeuten. Aber vertreiben
ließ er sich nicht. Es war nicht bloß sein Gesichtsausdruck, obwohl der bereits
alles sagte, was es zu sagen gab. Es war auch nicht bloß die Art und Weise, wie
er und Owen dort am Zaun gestanden und so subtil miteinander kommuniziert
hatten, ganz für sich inmitten von tausend Leuten. Es war auch die Tatsache,
dass ihr Vater in den Krankenwagen geklettert war, um Owen ins Krankenhaus zu
begleiten. Seine offenkundigen Bauchschmerzen, als Owen und Genevieve auf ein
paar Drinks vorbeigekommen waren. Sein offenkundiges Desinteresse gegenüber
Genevieve im Anschluss daran. Sein Auftauchen aus dem Wohnheim gestern Abend,
Owen im Schlepptau. Die Tatsache, dass er nicht zu Hause gewesen war, als sie
am Morgen aufgestanden war. Tauschte man bloß eine Prämisse aus – nämlich die,
dass ihr Vater heterosexuell war –, war es nur allzu offensichtlich. Allerdings
war das die Prämisse, auf der buchstäblich ihr ganzes Leben basierte.
Eine Frau in einem
Westish-Sweatshirt trat auf ihren Vater
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