Kunst des Feldspiels
Einkünfte durch Tantiemen. Dreizehn
Jahre zuvor hatte sein erstgeborener Sohn Malcolm Selbstmord begangen.
Melvilles angeheiratete Verwandte waren nicht die einzigen, die sich um seine
Gesundheit sorgten und ihn für geisteskrank hielten. Was die nationalen
Zusammenhänge betraf, so hatte sich tatsächlich der in Moby-Dick und Benito Cereno (beide im Jahr 1880 längst vergriffen) prophezeite fürchterliche, blutige Riss
aufgetan, und das Ende des Krieges war, wie er vielleicht als Erster
vorausgesehen hatte, nicht mit dem Ende des Leids gleichzusetzen gewesen.
Da überraschte es nicht, dass der große Romancier um den Mund herum
grimmig geworden sein mochte, wie sein wohl bekanntester Protagonist es
formuliert; dass es in seinen Augen höchste Zeit gewesen sein mochte, wieder in
See zu stechen. Da er zu alt, zu arm und zu sehr durch Familienangelegenheiten
gebunden war, um noch einmal den Ozean zu überqueren, entschied sich Melville
für ein etwas harmloseres Abenteuer. Der Frühling jenes Jahres brachte zeitiges
Tauwetter, und im März ging er an Bord eines Schiffes, das Kurs den Eriekanal
hinauf nahm, um die Great Lakes abzufahren und eine Reise allein zu
wiederholen, die er mit seinem Freund Eli Fly vierzig Jahre zuvor unternommen
hatte. Melvilles Pilgerfahrt nach Jerusalem (1856–57) hat die Wissenschaft
stets große Bedeutung beigemessen, aber jene spätere Reise ins Inland blieb bis
1969 vollständig unerwähnt, als ein Student des Westish College – einer
kleinen, altehrwürdigen, aber in jenen Tagen bereits etwas heruntergekommenen
Liberal Arts School am westlichen Ufer des Lake Michigan – eine bemerkenswerte
Entdeckung machte.
Der Name des Studenten
war Guert Affenlight. Er war kein Literaturwissenschaftler, sondern studierte
im Hauptfach Biologie und war Stamm-Quarterback der Westish Sugar Maples.
Aufgewachsen war er als vierter, bei weitem jüngster Sohn eines kleinen
Milchbauern in dem wellenförmigen, ackerlandreichen Teil des Staates,
südwestlich von Madison. In Westish war er unter anderem angenommen worden,
weil er Football spielen sollte, und obgleich das College nicht wie heutzutage
Sportlerstipendien vergab, wurde er für seine Plackerei auf dem Football-Feld
immerhin mit einem entspannten Job in der Bibliothek entlohnt. Offiziell sollte
er dort zwölf Stunden die Woche Bücher einsortieren, aber man war sich einig,
dass ein Großteil der Zeit mit der Lektüre der Lehrbücher verbracht werden
konnte.
Affenlight gefiel es, die Bibliothek außerhalb der Öffnungszeiten
ganz für sich zu haben, und häufig las er weder, noch sortierte er Bücher ein,
sondern stöberte einfach herum. Eines späten Herbstabends in seinem vierten und
letzten Studienjahr entdeckte er einen dünnen Stoß vergilbten Papiers, der
zwischen zwei zerfallenden Zeitschriften in den Tiefen der Präsenzbestände
steckte. Laut dem verblichenen Gekritzel auf der ersten Seite handelte es sich
dabei um eine Vorlesung, die ein gewisser »H. Melville« an »diesem ersten
Aprilmorgen 1880« gehalten hatte. Affenlight, etwas witternd, blätterte weiter.
Als er den ersten Satz las, durchfuhr ein Stromstoß seine Eingeweide:
Erst als ich fünfundzwanzig Jahre alt und von einer
vierjährigen Reise an Bord von Walschiffen und Fregatten in meine Geburtsstadt
New York zurückgekehrt war, auf der ich so manches von der Welt gesehen hatte,
zumindest jene Teile, die von Wasser bedeckt sind, und auch eine Reihe
paradiesischer Ecken, die unsere Vielsalbaderer und Schwadronesen für
unzivilisiert halten, gelang es mir, ernsthaft meinen Stift zur Hand zu nehmen
und ein neues Leben zu beginnen; seither ist kaum eine Woche verstrichen, in
der ich nicht meinte, mich innerlich zu entfalten.
Es gelang Affenlight beim ersten Lesen nicht, die Syntax vor dem
Semikolon zu entwirren, aber jener letzte Satz nistete sich sofort in seiner
Seele ein. Auch er wollte sich innerlich entfalten und das auch spüren; das
orakelhafte Versprechen eines weiseren, wilderen Lebens elektrisierte ihn. Er
hatte sich noch nie über den oberen Mittleren Westen hinausbewegt oder etwas
geschrieben, das nicht ein Lehrer von ihm verlangt hatte, aber dieser eine
magische Satz löste in ihm das Verlangen aus, die Welt zu durchstreifen und
Bücher über das zu schreiben, worauf er stieß. Er ließ die Blätter in seinen
Rucksack gleiten und schlich zurück in sein Zimmer in der Phumber Hall.
Als Thema der Vorlesung wurde Shakespeare genannt, H. Melville
aber nutzte, indem
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