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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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für Wärme zwischen den
Kleiderschichten. Seine Füße trafen leichter auf dem Beton auf.
    Als Erstes zog er die
Handschuhe aus und schmiss sie zur Seite. Zwei Abschnitte später nahm er seine
Cardinals-Kappe in die eine Hand, um mit der anderen seine Windjacke
auszuziehen, und setzte sie wieder auf, nachdem er sich der Jacke entledigt
hatte. Sie schwebte ein Stück, aufgebläht vom Wind, bevor sie auf den Stufen
landete. Henrys Gesicht glühte. Salziger Schnodder rann ihm die Oberlippe
hinunter. Ein königlicher Furz trieb ihn Abschnitt 12 hinauf, genau dort, wo das Stadion in die Kurve ging. Er haute auf die
Ziffern, als würde er einen Mitspieler abklatschen. Sie reagierten mit einem
zufriedenen Vibrieren. Jetzt war er auf Betriebstemperatur, zur Hölle mit der
Dunkelheit, zog ohne dabei langsamer zu werden sein Sweatshirt und sein langes
Unterhemd aus. Er glitt durch das Dunkel, dankbar für das Dunkel, Teil des
Dunkels. Er trug nur noch Weste und T-Shirt, verfügte jetzt über genügend
eigene Körperwärme. Ein dunkles Wärmenest in der unermesslichen kalten
Dunkelheit.

14
    —
    Bevor Pella sich hinlegte, hatte sie ihren Badeanzug aus
der Korbtasche genommen und ihn auf Davids Seite des Bettes ausgebreitet, eine
Erinnerung daran, was heute anlag. Jetzt zog sie sich aus, schlüpfte in den
Badezug und zog ihre Sachen darüber. Richtig geschlafen hatte sie nicht, nach
San-Francisco-Zeit war es jetzt halb vier am Morgen. Der Badeanzug saß etwas
knapp – okay, ganz schön knapp –, aber einen anderen hatte sie nicht. Sie
huschte möglichst rasch am Spiegel der Kommode vorbei, synchronisierte die
Bewegung mit einem Blinzeln. Wenn niemand sie anschaute, sie selbst
eingeschlossen, spielte es keine Rolle, wie sie aussah.
    Sie hörte Schritte in der Küche, den Protest der Espressomaschine,
die sich ein paar letzte Tropfen abrang, aber selbst für den Austausch von
Nettigkeiten mit ihrem Vater war es noch zu früh. Sie schlich die Treppe
hinunter und auf den Hof, wo sich auf dem Rasen eine schwere, feuchte
Schneedecke zu bilden begann. Sie zog die Kapuze ihres Sweatshirts über und
band – eine Geste, die regelrecht überschwänglich wirkte, denn wirklich nötig
war das nicht – die Bänder zu einem Knoten zusammen.
    Pella war schon ewig
nicht mehr im Wasser gewesen, doch während sie die Option abgewogen hatte, nach
Westish zu ihrem Vater zu ziehen, war der eine angenehme Gedanke, der ihr immer
wieder kam, derjenige, in aller Herrgottsfrühe Bahnen zu schwimmen. An der
Tellman Rose war sie in der Auswahl gewesen und hatte sich auf Schmetterling
spezialisiert. Wenn sie in den Schulferien ihren Vater besuchte, hatte sie
frühmorgens im VAC trainiert, wo ansonsten nur alte Männer waren, deren haarlose Beine
aus den kurzen Röhren ihrer Schwimmhosen ragten. Professoren der
Naturwissenschaften, nahm sie an, die Sorte liebenswert halsstarriger alter
Männer, die überall mit dem Fahrrad hinfuhren, täglich sieben kleine Mahlzeiten
zu sich nahmen und fest vorhatten, hundertzwanzig Jahre alt zu werden. Obgleich
er nicht regelmäßig schwamm, war auch ihr Vater ein wenig so. Mit sechzig
machte er den Eindruck, als wäre seine Zeit auf dieser Welt gerade einmal zur
Hälfte vorbei.
    Pella schlurfte mit
gesenktem Kopf über den Parkplatz, damit sie nichts von dem Schnee in die Augen
bekam, der von schräg vorn auf sie zuwehte. Als sie die Stufen zum VAC hinaufstieg,
stolperte sie über etwas, das sich als Bein erwies – als das bloße haarige Bein
einer stattlichen, fast nackten männlichen Person. Ganz offenkundig hatte der
Schlafentzug dafür gesorgt, dass sie plötzlich einen nackten Waldarbeiter
halluzinierte. Der Waldarbeiter saß auf den Stufen, ein schneeweißes Handtuch
umgebunden, und starrte traurig in die Gegend, während nasser Schnee sich in
seinen Haaren, seinem Bart und seiner Brustbehaarung sammelte. Selbst als Pella
über sein Bein stolperte und sich mit der Hand auf dem Boden abstützen musste,
um nicht auf der Nase zu landen, bemerkte er ihre Anwesenheit nicht. Sie drehte
sich auf ihren Hintern und setzte sich neben ihn auf die Stufen.
    »Schickes Handtuch.«
    Keine Reaktion.
    »Alles in Ordnung mit
dir?«, fragte sie.
    Die wuchtigen Schultern
wurden hochgezogen und sanken wieder herab. So viel nackte Haut hatte Pella
bislang weder von nahem gesehen noch halluziniert.
    »Hast du dich
ausgesperrt?«, fragte sie. »Ich glaub, die machen um sechs auf. Müsste
eigentlich gleich –«
    »Die Tür ist

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