Kunstblut (German Edition)
gehört?«
»Er geht nicht ans Handy.«
»In den Krankenhäusern ist er auch nicht. Wenn er auftaucht, soll er sich melden. Gehen Sie nach nebenan und suchen Sie sich jemanden, der Ihre Aussage aufnimmt.«
Ich stand auf.
»Ach übrigens«, sagte Fahrenbach, als ich schon an der Tür war, und sein Ton verriet mir, dass er nicht ohne Absicht gewartet hatte, bis ich stand. »Pollacks alter Freund Freddy hat gestern spät bei ihm angerufen. Er wollte wissen, ob und was Sie mit Wolter und seiner Witwe zu schaffen haben. Pollack hat ihm gesagt, dass wir das auch gern wüssten«, fuhr er fort und verkniff sich nur halbherzig ein böses Grinsen. »Sie wissen, dass die Wolter verschwunden ist, Kant?«
»Ja«, sagte ich. Es hatte kaum Zweck, das zu leugnen. »Ich war gestern Abend mit ihr verabredet. Sie ist nicht gekommen. Am Telefon schien sie besorgt, deshalb habe ich mich bei Freddy nach ihr erkundigt.«
»Warum wollten Sie sich treffen?« Sein Blick war lauernd.
»Sie hatte Informationen für mich, sagte sie.«
»Welcher Art?«
»Das weiß ich nicht.« Was der Wahrheit sehr nahe kam.
Er starrte mich an wie die Schlange eine Ratte, von der sie weiß, dass sie zu groß ist. »Ich erwarte, dass Sie uns informieren, wenn die Wolter Kontakt mit Ihnen aufnimmt.«
»Ernsthaft?«, fragte ich.
Er verzog keine Miene. »Hauen Sie ab, Kant«, sagte er.
* * *
Den Rest des Vormittages verbrachte ich auf dem Präsidium. Bald ein halbes Dutzend Mal schilderte ich die Ereignisse vom Vorabend, den Brandermittlern, den Mordermittlern, irgendwelchen sonstigen Ermittlern und den Psychoermittlern, bis sie sicher waren, jedes Detail aus mir herausgekitzelt zu haben.
»Macht ihr euch auch solche Mühe, wenn ihr nicht wisst, wer es war?«, fragte ich einen von ihnen zum Abschied.
»Worauf Sie einen lassen können«, bekam ich zur Antwort. Ich schien seinen Sinn für Humor verfehlt zu haben.
In der Halle wartete ein ganzer Pulk Reporter auf uns Augenzeugen. Zwei von ihnen musste ich handgreiflich abwehren, um aus der Tür zu kommen. Als ich endlich wieder in meinem Wagen saß, hing eine Knolle am Scheibenwischer. Der Parkschein war abgelaufen. Ich versuchte, mich nicht darüber zu ärgern, mit dem eigenen Wagen in die Stadt gefahren zu sein, und machte mich auf den Weg in die Immermannstraße zum Restaurant »Kio«. Mir blieb genug Zeit, mich dort umzusehen, selbst wenn ich die Parkplatzsuche mit einkalkulierte.
Tatsächlich fand ich eine Lücke in der Klosterstraße. Ich schlenderte die Immermannstraße hinunter und besah mir sämtliche Schaufenster und Restaurant-Menüs, wobei ich hauptsächlich auf das Spiegelbild der Straße hinter mir achtete, aber ich konnte keine Beschattung entdecken. Der von dunklem Kupfer überdachte Eingang und das braun gerahmte Fenster, in dem japanisches Geschirr und rätselhafte Küchenutensilien ausgestellt waren, gaben dem »Kio« die Anmutung eines in den Siebzigern gestalteten Beerdigungsinstitutes. Neben dem Eingang war eine Toreinfahrt. Ich ging hindurch und fand mich in einem kleinen Innenhof wieder, in dem die Eingänge zu ein paar Büros lagen. Ich probierte die Türen, eine war offen und führte in ein Treppenhaus. Zwei kleine Fenster neben der Abluftanlage schienen zu den Toiletten des »Kio« zu gehören. Ich verließ den Hof wieder und platzierte mich auf der anderen Straßenseite.
Es war wenige Minuten vor eins, als ein schwarzer Lexus vor dem Eingang hielt. Tokohiro entstieg dem Fond und betrat das Restaurant. Der Wagen verschwand in Richtung Jan-Wellem-Platz. Ich wartete, aber niemand tauchte in meinem Gesichtsfeld auf, der irgendwie verdächtig wirkte. Ich überquerte die Straße und betrat das »Kio«.
Die Begrüßung des Geschäftsführers war japanisch höflich. Man bedeutete mir, meine Schuhe gegen bereitstehende Slipper zu tauschen, und führte mich in den hinteren Bereich des Restaurants. Hinter einer offenen Schiebetür fand sich ein mit Tatamimatten ausgelegter Raum. An den hellen Wänden hingen große Tuschezeichnungen. Durch ein Papierfenster fiel weißes Licht in den Raum.
Der Ober verbeugte sich und verschwand.
Doktor Tokohiro saß im Schneidersitz an einem niedrigen Tisch. Er erhob sich von seinem Polster und deutete mit ernster Miene eine Verbeugung an. Nach allem, was ich über japanische Höflichkeit wusste, wertete ich dies in etwa wie eine Ohrfeige.
»Vielleicht belieben Sie, Platz zu nehmen, Kant San.«
Ich hoffte, wie in anderen japanischen Restaurants
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