Kunstblut (German Edition)
Interessen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Das mag sich ändern.«
»Ihr Büro liegt also nicht zufällig im gleichen Gebäude wie Schwarzenbergers«, stellte ich fest.
Er antwortete nicht.
»Solange Sie mir jede Auskunft verweigern, kann ich nicht wissen, ob oder wobei ich Sie stören könnte.«
»Das kann ich Ihnen nicht glauben. Sie sind in Besitz einiger sehr erstaunlicher Informationen. Brisant könnte man sie auch nennen. Einer meiner Mitarbeiter hat sein Leben riskieren müssen, um an diese Informationen zu gelangen. Und jetzt finden wir eine Kopie davon bei Ihren Steuererklärungen. Vermute ich richtig, dass sie von Wolter stammt?«
»Warum sollte ich Ihnen das bestätigen?«
»Weil Sie Ihre Festplatte wiederhaben und sich weitere Unannehmlichkeiten ersparen möchten. Das nehme ich jedenfalls an.«
»Unannehmlichkeiten sind nichts, womit Sie mich erschrecken könnten. Ärger kann ich Ihnen auch machen. Ich weiß meine Situation einzuschätzen, Tokohiro San. Aber ich bin nicht bereit, mit Ihnen zu kooperieren, solange ich nicht weiß, wer Sie sind, was Sie vorhaben und für wen Sie arbeiten.«
Er nickte lächelnd und begann konzentriert, einen kleinen frittierten Krebs zu zerlegen. Zum ersten Mal kam er mir wirklich wie ein Japaner vor.
»Vielleicht haben Sie Recht. Wir könnten vielleicht sogar zu einer konstruktiven Zusammenarbeit kommen, wenn wir einander ein wenig vertrauen würden.«
»Gut möglich. Aber wer von uns beginnt mit dem Vertrauen?«
»Ich denke, Sie. Sie sind in der schlechteren Lage.«
»Umso mehr würde mich ein Entgegenkommen beeindrucken.«
Er führte die Stäbchen zum Mund und kaute nachdenklich.
»Natürlich, das ist verständlich«, sagte er nach einer Weile. »Ich werde Ihnen sagen, was ich über Sie weiß und was ich vermute. Ich weiß, dass Sie Wolter nach Frankfurt gefahren haben. Ich weiß, dass seine Frau mit Ihnen telefoniert hat. Ich vermute, dass Sie sie getroffen haben und dass Sie von ihr das Blatt mit den Zahlen erhalten haben. Ich vermute weiterhin, dass Sie keine Ahnung haben, was es damit auf sich hat, aber Sie halten es für möglich, dass die Zahlen mit Schwarzenbergers und Wolters Ableben in Zusammenhang stehen.«
»Und? Stimmt das?«
Tokohiro nahm einen Schluck Wasser und sah mir in die Augen. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
»Die Listen sind wertlos für den, der sie nicht entschlüsseln kann. Haben Sie den Code, Tokohiro San?«
»Haben Sie ihn?«
Ich antwortete nicht. Er ließ sich nicht auf ein Starrduell ein, bedächtig griff er mit seinen Stäbchen nach einem Pfau aus Eischaum.
»Wie Sie sehen, kommen wir so nicht weiter«, sagte er, nachdem er mit einem Schluck Wasser nachgespült hatte.
»Was befürchten Sie von mir? Warum glauben Sie, ich hätte Ihnen gegenüber irgendwelche schlechten Absichten? Ich habe noch nicht einmal gute. Solange ich nicht weiß, worum es geht –«
»– richten Sie keinen Schaden an«, unterbrach er mich. Mit gerunzelter Stirn studierte er eine der Tuschezeichnungen. Ich bemerkte, dass er gegen seinen Ärger kämpfte. »Verzeihen Sie, dass ich Ihnen ins Wort gefallen bin«, sagte er nach einer Weile.
Es klopfte, und die Schiebetüren öffneten sich. Die kimonotragenden Damen ersetzten lächelnd die Vorspeisenteller durch Schalen mit Shiru-Suppe und verschwanden wieder.
»Ich kann Ihre Ansicht nicht teilen, Tokohiro San. Unwissend könnte ich Schaden anrichten, der sonst zu vermeiden wäre.«
Nachdenklich rührte er mit dem Porzellanlöffel in seiner Suppe. »Wir haben ein professionelles Problem miteinander.« Er sah auf. Die Falten um seine Augen machten seinen ernsten Blick freundlich. »Professionell, durchaus nicht persönlich. Ich mag Sie, Kant. Aber ich kann Ihnen nicht trauen. Die Interessen unserer Klienten … divergieren zu stark.«
» Unserer Klienten? Von wem reden Sie? Cornelia?«
»Aber nein.« Leise lachte er auf und nahm einen Löffel Suppe. »Probieren Sie. Sie ist köstlich.«
»Welche Art Klienten betreuen Sie denn, Tokohiro San?«
»Ähnliche wie Sie. Wir sind Kollegen, Kant San. In Deutschland würde man mich wohl einen Privatdetektiv nennen.«
Ich ließ meinen Löffel in die Suppe fallen. »Wieso sollte ich Ihnen das glauben?«
»Wieso nicht? Wofür halten Sie mich denn? Einen Gangster?« Ungerührt aß er weiter.
»Das kommt der Sache näher, als es Privatdetektiv tut.«
»Ich bedaure Ihr Misstrauen, auch wenn ich es nachvollziehen
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