Kunstblut (German Edition)
unter dem Tisch eine Grube für die Beine der ungelenken Langnasen zu finden, aber ich wurde enttäuscht. Tokohiro gedachte nicht, Kompromisse zu machen, nur um mich das Gesicht wahren zu lassen. Etwas mühsam brachte ich mich in Position. Der Ober erschien mit einer Karaffe und Gläsern. Er schenkte uns ein.
»Bei wichtigen Gesprächen trinke ich gern Wasser«, sagte Tokohiro. »Wünschen Sie etwas anderes zu trinken?«
»Nein danke.«
»Die Kabayaki-Gerichte hier sind empfehlenswert.«
»Dann hätte ich gern ein Unadon«, sagte ich.
Tokohiro sagte etwas auf Japanisch. Erneut verbeugte sich der Ober und verschwand. Dieses Mal schloss er die Tür hinter sich.
Tokohiro nahm einen winzigen Schluck Wasser. Dann hob er sehr langsam den Blick.
»Sie haben einen guten Ruf in der Stadt – für einen Privatdetektiv«, sagte er und stellte das Glas wieder ab.
»Man hat schon weniger elegant versucht, mich zu beleidigen«, antwortete ich. »Wir schulden uns gegenseitig ein paar Erklärungen, aber ich hoffe, dass wir zu einer Verständigung kommen werden.«
» Eine Erklärung möchte ich Ihnen sofort abgeben. Meine Landsleute beklagen einen eklatanten Mangel an Höflichkeit bei mir, den sie auf meinen ungewöhnlich langen Aufenthalt in Ihrem Land zurückführen. Hinter meinem Rücken nennt man mich wohl einen Barbaren. Aber es gibt natürlich Gründe für eine solche Veränderung eines mühsam erlernten Verhaltens: Ich habe festgestellt, dass die wenigsten Europäer unsere Verhandlungsweise zu würdigen wissen. Das wiederum beruht auf Gegenseitigkeit. Lassen Sie uns also einfach in medias res gehen.«
»Gerne. Wer und was sind Sie, Tokohiro San?«
Jetzt erschien tatsächlich ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Nun, ich denke, was die Erklärungen angeht, liegt die Bringschuld doch zunächst bei Ihnen, Kant San.«
»Da bin ich mir nicht sicher. Aber gewiss können Sie aus einer besseren Position Forderungen stellen.«
»Ich sehe, wir verstehen uns. Sie haben mich überwacht, ich vermute stark, im Auftrag von Cornelia Freifrau zu Spee-Lörickendorff, Ihrer ehemaligen Harfelehrerin – und wohl auch ehemaligen Geliebten –, zu der ich ein besonderes Verhältnis pflege. Sie ist eine reizende Person und wirkt auf mich ausgesprochen anziehend – eine Einschätzung, die Sie vermutlich früher einmal geteilt haben. Leider ist sie über die Maßen misstrauisch und eifersüchtig.«
»Grundlos, selbstverständlich«, warf ich ein.
»Grundlos eifersüchtig, nicht grundlos misstrauisch. Sehen Sie, Herr Kant, wie die meisten Männer bin ich vor einer gewissen Eitelkeit nicht gefeit. Es schmeichelt mir durchaus, mich von einer so attraktiven und um so viel jüngeren Frau wie Cornelia begehrt zu fühlen, und die Vorstellung bereitet mir Sorgen, sie wüsste von der jungen Dame, die Sie am Golfplatz gesehen haben.«
»Ich verstehe.«
»Das bezweifle ich. Cornelia sieht in mir wohl einen reifen Mann, aber doch keinen Großvater. Yoko ist meine Enkelin.«
»Aha«, sagte ich. »Ein netter Name.«
»Mein Schwiegersohn ist seit frühester Jugend Fan der Rolling Stones. Und er hat einen etwas eigenwilligen Humor …«
»Verstehe.«
»Sie werden das natürlich überprüfen.«
»Selbstverständlich werde ich das.«
»Und ich hoffe, dass Sie Cornelia von meiner Treue zu ihr überzeugen können.«
»Ohne ihr von Ihrem Familienstand zu erzählen, nehme ich an.«
»Das würde mich freuen. Aber glauben Sie bitte nicht, mit diesem Pfrund wuchern zu können, Herr Kant.«
»Das habe ich nicht vor.«
»Natürlich haben Sie das. Sie sind ein Mann, der sein Wissen gewinnbringend einzusetzen versteht. Das ist schließlich Ihr Beruf. Aber jetzt ist Ihnen ein nicht unerheblicher Teil Ihres Wissens abhanden gekommen.«
Es klopfte an der Schiebetür, und zwei Bedienungen in Kimonos brachten zwei Teller mit Zensai. Sie stellten sie vor uns ab und zogen sich lautlos zurück.
Die Tür wurde wieder geschlossen.
»Was hat Sie bewogen, sich mein Wissen anzueignen?«, fragte ich.
Er griff mit den Stäbchen nach einem Maguro-Sushi. »Ich kann akzeptieren, dass Sie versuchen, für Cornelia mein Liebesleben zu überwachen. Ihre Fragen nach der Schießerei vom Montag aber berühren meine geschäftlichen Interessen. Und ich kann nicht riskieren, dass Sie mir in die Quere kommen, Kant San.«
Ich entschied mich für den Ingwer. »Die Schießerei gehörte also zu Ihrem Geschäft?«
»Das habe ich weder gesagt noch gemeint. Sie berührte meine
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