Kunstblut (German Edition)
Wandtelefons.
Der Keller unter Freddys Garage war geräumig und schäbig. Vier Metallstühle standen um einen wackeligen Tisch mit ausgefranster Resopalplatte. An einer Wand war eine alte Spüle, bedeckt mit gebrauchten Tee- und Kaffeebechern, Nescafé-Gläsern und Beuteltee-Packungen. Daneben stand ein großer Schrank, in dem verölte Overalls und Handtücher hingen. Unter den offenen Stufen der Gitterrosttreppe war ein Verschlag abgetrennt, in dem Farbdosen gestapelt waren.
Ich ging zu van Wygan und riss ihm das Klebeband vom Mund. Würgend spie er das Tuch aus. Ich überprüfte noch einmal seine Fesseln. »Lassen Sie sich die Zeit nicht lang werden«, sagte ich und ging die Treppe hinauf.
»Kant! Was soll das?«, rief er mir atemlos hinterher. Immerhin war ihm mein Name wieder eingefallen. Ich drehte mich nicht um.
Ich warf einen vorsichtigen Blick aus der Stahltür, bevor ich auf den verlassen daliegenden Fabrikhof hinaustrat. Direkt vor der Tür war ein altes totes Gleis. Hinter dem rostig-grünen Maschendrahtzaun lagen die Schuttreste der Lierenfelder Schwerindustrie. Ich bog lässig um die Ecke des Backsteinbaus, aber auch hier war kein Mensch, obwohl sich hinter jedem der Stahltore eine Firma oder etwas, das eine Firma zu sein vorgab, befand. Ich stieg in meinen Quattroporte und besorgte mir in der Erkrather Straße ein Frühstück und eine FAS . Dann fuhr ich zurück und parkte vor der Einfahrt eines Gebrauchtwagenhändlers, wo der Wagen so unauffällig wie möglich stand.
In Freddys Garage standen ein 250 GTE Baujahr ‘63 und ein gelber Daytona, dessen Motor neben dem Wagen aufgebockt war – Autos im Wert von einer Viertelmillion Euro, dazu jede Menge Spezialwerkzeug. Dagegen hatte Freddy am Schloss gespart. Tokohiros Mann mochte Experte gewesen sein, die Seitentür bekam sogar ich mit meinem normalen Set ohne weiteres auf. Ich ließ mich rein und schloss hinter mir wieder ab. Dann machte ich es mir in einer Nische im hinteren Teil der Garage gemütlich, außer Sicht der Türen. Meiner Schätzung nach hatte ich eine gute Stunde Zeit.
Damit lag ich ungefähr richtig. Als ich den Reiseteil der Frankfurter zuklappte, hörte ich einen Wagen vor der Seitentür halten. Der Motor wurde abgeschaltet. Ich zog meine Kimber und drückte mich in die Nische. Die Tür wurde aufgeschlossen. Schritte von zwei Personen hallten durch die Garage, die Tür zur Kellertreppe wurde geöffnet und fiel wieder ins Schloss.
Sorgsam entfernte ich die Brötchenkrümel von meiner Hose und stand auf. Ich wich einer Ölpfütze aus, durchquerte leise den Raum und öffnete geräuschlos die Tür.
»Gut, dass ihr da seid«, hörte ich van Wygan sagen. »Bindet mich los.«
»Mal langsam, Professor«, bekam er zur Antwort. »Zuerst wüsste ich gern, wie du hierher gekommen bist.«
Ich trat auf den Absatz der Gittertreppe hinaus. Ein Mann und eine Frau standen neben van Wygan und wandten mir den Rücken zu. Der Mann hielt eine Pistole in der Rechten.
» Ich habe den Herrn Professor hergebracht«, sagte ich. Die beiden zuckten zu mir herum. »Schön, Sie wieder auf den Beinen zu sehen, Pollack. Und jetzt brav die Waffe fallen lassen.« Ich zielte direkt auf seine Stirn. »Das gilt auch für Frau Wolters Handtasche.«
»Damit kommen Sie nicht durch, Kant.« Pollack sah mir in die Augen, hinter seiner Stirn sah ich es rechnen.
»Mag sein. Sie aber auch nicht. Wie geht es Ihrem Bein?«
»Ganz gut.«
»War auch nie schlechter, nehme ich an«, sagte ich.
Er zuckte die Achseln. »War doch ‘ne prima Idee, oder?« Er grinste etwas angestrengt.
»In der Tat«, sagte ich. »Genug Zeit und ein Daueralibi. Wenn van Wygan nicht gesungen hätte, wäre ich nie darauf gekommen, dass Sie Schwarzenbergers und Wolters Mörder sind.«
Pollacks Kopf zuckte nach rechts, zu dem Professor.
»Er hat mich gefoltert«, sagte van Wygan, aber der Blick, den Pollack ihm zuwarf, musste ihm klar machen, dass er sich in einer klassischen No-Win- Situation befand. Er saß zwischen Feuer und Steinschlag. Pollack hielt noch immer die Pistole in der Rechten. Frau Wolter sagte nichts, aber ihre Hände krampften um die Riemen ihrer Handtasche.
»Wenn ich jetzt ernsthaft bitten dürfte, die Waffe und die Handtasche loszulassen«, sagte ich freundlich.
Pollack nickte langsam, dann bückte er sich, und legte die Pistole vorsichtig auf den Boden.
»Tu, was er sagt, Liebling«, sagte er, und Frau Wolter stellte ihre Handtasche vor sich ab.
Ich stieg die Treppe
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