Kunstblut (German Edition)
hinunter, ohne Pollack aus Kimme und Korn zu verlieren. »Zur Wand«, sagte ich, als ich unten war. Gehorsam gingen sie rückwärts. Ich öffnete die Handtasche, darin steckte ein kleiner 22er-Revolver. Die Tasche kickte ich zur Spüle, dann hob ich Pollacks Pistole auf. Es war eine kleinkalibrige Beretta. »Schwarzenberger wurde mit einer größeren erschossen«, sagte ich, »aber die Kugeln in meiner Harfe könnten zu dieser passen, Pollack.«
»Sie haben verdammtes Glück gehabt, gestern; das wissen Sie, Kant?«
»Das Glück ist mit den Tüchtigen«, sagte ich. »Aber dass Sie meine Harfe beschädigt haben, nehme ich persönlich. Es ist nicht sicher, ob die Pedalmechanik überhaupt repariert werden kann. Das hat mich sehr gegen Sie aufgebracht, Pollack.«
Ich warf Frau Wolter ein Paar Handschellen zu und deutete auf Pollack. »Wenn Sie so freundlich wären, und seine Hände um das gelbe Rohr dort drüben fesseln würden?«
Mit eisiger Miene tat sie, was ich ihr befohlen hatte. Sie selbst ließ sich ohne Gegenwehr an dasselbe Rohr ketten.
»Was haben Sie mit uns vor?«, fragte Pollack.
»Abwarten.« Ich ging zu der schmuddeligen Spüle und ließ ein wenig Wasser in das verkalkte Fünflitergerät laufen. »Und Tee trinken.« Ich begann, einen der Becher zu säubern. »Was wollten Sie von Freddy, Pollack? Ihn umlegen?«
»Natürlich. Er wusste zu viel. Genau wie Schwarzenberger und Egon. Aber das werde ich niemals zugeben, Kant. Ursula und ich sind hier, weil wir Freddy helfen wollten. Dafür bin ich sogar gegen den Rat meines Arztes aus meinem Rollstuhl aufgestanden.«
»Und das hättest du wirklich nicht tun sollen«, sagte plötzlich eine Stimme von oben. Hauptkommissar Fahrenbach stand auf dem Treppenabsatz. Er trug einen hellen Mantel und einen Pepitahut, der das fette Rund seines Gesichts zusätzlich betonte. »Warum bist du nicht einfach zu Hause geblieben, Hannes?« Langsam kam er die Treppe herunter, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben.
»Sie hören also immer noch Wolters Telefon ab?«, fragte ich.
»Natürlich, Kant. Woher wüsste ich sonst von diesem Treffen? Was ist mit Freddy Piehlmann passiert?«
»Er ist tot. Frau Wolter hat ihn erschossen.«
»Das ist nicht wahr«, waren die ersten Laute, die sie vernehmen ließ, seit sie hier unten war.
»Halt den Mund, Ursula«, sagte Fahrenbach eisig. »Warum haben Sie mich nicht informiert, Kant? Ich entdecke hier eine ganze Reihe von Gesetzesverstößen. Unter anderem Menschenraub, Freiheitsberaubung und schwere Körperverletzung. Das sind keine Kleinigkeiten.«
»Verglichen mit Pollacks Mordserie hält es sich im Rahmen, würde ich sagen.« Das Heißwassergerät begann zu brodeln. Ich nahm einen Beutel Earl-Grey-Tee aus einer fast leeren Packung und goss mir einen Becher auf. »Möchten Sie auch?«
Fahrenbach antwortete nicht. Langsam zog er die rechte Hand aus der Manteltasche. Sie hielt eine Walther PPK . »Ich nehme Sie fest, Kant.«
Unten in der Spüle fand ich eine Pappschachtel mit Würfelzucker und einen Löffel, ich warf ein Stück in meinen Becher und rührte um. Fahrenbach trat zu mir und zog mir die Kimber aus dem Holster.
»Hände auf den Rücken!«
»Ich habe meinen Tee noch nicht getrunken.«
»Keine Faxen, Kant.«
Er schloss eine Handschelle an meine Rechte und die andere um das Wasserrohr über der Spüle.
»Schade, dass Sie auch dazugehören, Fahrenbach«, sagte ich. »Ein bisschen hatte ich gehofft, mich zu irren.«
»Irren ist menschlich, Kant.« Er steckte die PPK wieder ein.
»Und jetzt?«, fragte ich ihn. »Wie geht es weiter? Wird mir der Prozess gemacht?«
»Natürlich, was denken Sie denn?«
»Ich denke, dass Sie sich meine Aussage nicht leisten können. Dazu gibt es zu viele offene Fragen. Pollacks wundersame Heilung wäre noch die geringste davon.«
»Meinen Sie, irgendjemanden interessiert, was Sie reden?«
»Ich denke schon. Immerhin rede ich von zwei toten Japanern vor van Wygans Safe. Einer Kugel aus Pollacks Waffe in meiner Harfe. Einer umfangreichen Akte mit detaillierten Angaben über den gesamten Köttinger/Okinumi-Vorgang inklusive der Verwicklungen van Wygans und Schwarzenbergers. Von Freddy Piehlmanns Waffe, mit der er erschossen wurde und die Ursula Wolters Fingerabdrücke trägt. Es kommt einiges zusammen. Pollacks Verwicklung in den Fall wird sich schwer verleugnen lassen. Und Ihre wohl auch nicht.«
»Und was, meinen Sie, sollte ich jetzt tun?«
»Ich meine, dass Sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher