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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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angerufen und bin raus auf den Flur, wollte aus der Wohnung rennen. Da kam er aus dem Schlafzimmer.«
    »Haben Sie den Mann erkannt?«, fragte Wolfert.
    Mareike Reisinger starrte ihn an. Die Wimperntusche war verlaufen und malte Kohleflecken auf die Wangen. »Ich hatte Panik. Er trug diese Maske. Und schwarze Handschuhe. Damit hat er mich zur Seite gestoßen.«
    Wolfert fragte nach Einzelheiten: Größe, Alter, Kleidung. Mareike gab sich alle Mühe. Das Ergebnis blieb dürftig. Ein mittelgroßer Mann, schlanke Gestalt, geschmeidige Bewegungen, schwarze Sporthose, dunkles Sweatshirt. Das Gesicht hinter einer Strumpfmaske verborgen.
    »Was macht Sie so sicher, dass es keine Frau war?«
    Sie dachte nach. »Die Gestalt war männlich. Breite Schultern, schmale Hüften und so. Nein, das war bestimmt keine Frau.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Kein Wort. Nichts. Kein Laut.«
    Milanos Blick ruhte auf ihr. »Wieso haben Sie nicht die 110 angerufen?«
    »Ich war so aufgeregt. Die Nummer von Herrn Wolfert hatte ich gerade erst ins Telefon eingespeichert. Visitenkarten verliere ich immer. War das ein Fehler?«
    Sie wandte sich Wolfert zu.
    Er lächelte nachsichtig. »Ist etwas gestohlen worden?«
    Sie zuckte die Achseln. »Mir ist nichts aufgefallen. Aber besonders gut kenne ich mich mit Pitts Sachen nicht aus.«
    »Sie wohnen weiterhin hier?«, vergewisserte sich Milano.
    Mareike Reisingers Gesicht verzog sich. Sie kämpfte gegen die Tränen an. »Wo soll ich sonst hin? Zu Ralf kann ich nicht zurück. Ich will hier bleiben, so lange es geht.«
    »Was wird aus der Wohnung?«
    »Ich denke, Pitts Familie wird sie erben. Die Mutter und der Bruder. Oder sie fällt an die Bank.«
    Wolfert wechselte einen Blick mit Milano. Das Darlehen war zu einem Drittel getilgt, hatten die Ermittlungen gezeigt.
    »Wie geht es weiter?«, fragte Mareike verunsichert.
    »Wir warten auf die Spurensicherung«, erklärte Wolfert. »Danach werden wir die Räume gründlich durchsehen. Vielleicht können wir gemeinsam herausfinden, ob etwas gestohlen wurde.«
    Sie nickte nachdenklich und fragte zögernd: »Glauben Sie, der Einbruch hat mit Pitts Tod zu tun? War das Pitts Mörder?«
    Eine Frage, die Wolfert ebenso beschäftigte. Wenn Mareike dem Mörder ihres Geliebten begegnet war, könnte sie mit großem Glück heil davongekommen sein. Für die Polizei bedeutete der Einbruch ein Geschenk. Eine Haarwurzel. Winzige Hautschuppen. Die Spezialisten suchten selten vergebens.

12
    Sonntag, der 15. Juni
     
    Norma erwachte früh nach einer unruhigen Nacht. Das Gewitter hatte sich mit voller Wucht über der Stadt entladen und mehrmals den morschen Fensterflügel in ihrem Zimmer aufgedrückt, bis sie ihn mit dem Besenstiel verkeilte, den sie in der Abstellkammer fand, als sie von dort Eimer und Putztuch holte, um das Parkett trockenzuwischen. Sie stieg aus dem Bett und entfernte die Barrikade. Vor dem offenen Fenster absolvierte sie wie jeden Morgen den Sonnengruß und fühlte sich danach frisch und gestärkt. Beim Duschen fiel ihr Eiko Ehlers ein, den sie mit dem Versprechen vertröstet hatte, sich Anfang der Woche zu melden. Zwischendurch kreisten ihre Gedanken um die Verbindung zwischen Rico und seinem ehemaligen Trainer. War Pitt Metten in den Kunstdiebstahl verwickelt? Als Komplize von Rico und Nina? Während sie die Haare föhnte, kam ihr die Idee, ob sie sich nicht die Besessenheit eines betrogenen Ehemannes zunutze machen konnte. Reisinger wäre nicht der Erste, der sich einem Rivalen an die Fersen heftete. Zurück im Zimmer, startete sie das Notebook und suchte in der Datei ›NMF‹ nach Reisingers Privatadresse.
    Kurz nach 9 Uhr fuhr sie über die Sonnenberger Straße auf Wiesbadens nördlichen Stadtteil Rambach zu. Auf dem letzten Wegstück ging es steil bergauf; die Häuser gruppierten sich um die auf der Anhöhe gelegenen Kirche. Norma fand einen Parkplatz vor einem italienischen Restaurant und erreichte mit wenigen Schritten ihr Ziel, ein älteres mehrstöckiges Gebäude. Die Hausdurchsuchung konnte nichts ergeben haben, sonst säße Reisinger mittlerweile in Untersuchungshaft. Aber die Vernehmungen mussten ihm zugesetzt haben. Milano und Wolfert eilte der Ruf voraus, untadelig korrekt vorzugehen und dabei alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Für einen bislang unbescholtenen Bürger keine leichte Begegnung.
    Die Begrüßung fiel gereizt aus, was auch an der Uhrzeit liegen mochte. »Was wollen Sie?«
    »Mit Ihnen reden.«
    »Sie haben mir nicht

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